Fort- und Weiterbildung – zwischen Anspruch und Pflicht (1)

Haben Mitarbeitende Anspruch auf Fortbildung? Und sind sie verpflichtet, solche Veranstaltungen zu besuchen? Mit diesen Fragen hat sich Minou Hansen bei einem Webinar für die Filialleitung befasst. Sie ist Rechtsanwältin, Business Coach und Leiterin der ADEXA-Rechtsabteilung.
„Einen generellen Rechtsanspruch darauf, Fortbildungen zu besuchen, gibt es grundsätzlich nicht“, sagt Hansen. „Anders ist die Situation, wenn Fortbildungen Grundlage für eine bestimmte Tätigkeit sind.“ Als Beispiele nennt die ADEXA-Rechtsanwältin Kurse für betriebliche Ersthelfer, für Datenschutzbeauftragte oder für Angestellte, die mit einer neuen Software arbeiten sollen.
Doch wie sieht es mit Fort- und Weiterbildungen zu pharmazeutischen Themen aus? Die Approbationsordnung und die Heilberufe-Kammergesetze der Länder fordern von Approbierten, ihr Wissen auf dem aktuellen Stand zu halten. Berufsrechtliche Verpflichtungen wie bei Vertragsärztinnen und -ärzten gibt es aber nicht bundesweit. Allein die Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern schreibt ihren Mitgliedern 16 Fortbildungspunkte pro Kalenderjahr vor und kontrolliert dies auch.
Besonderheiten der drei Tarifbereiche
Sind Angestellte bei ADEXA und Apothekenleitungen bei einem Arbeitgeberverband Mitglied, besteht Tarifbindung. Laut den Tarifverträgen haben Mitarbeitende in diesem Fall Anspruch auf bezahlte Freistellung für fachlich-wissenschaftliche Fortbildungen.
In allen Kammerbezirken außer in Nordrhein und in Sachsen sind es bei Angestellten in Vollzeit sechs Werktage innerhalb von zwei Kalenderjahren. Für Nordrhein gelten sechs Werktage für Approbierte, fünf Tage für andere pharmazeutische Mitarbeitende und drei Tage für kaufmännische Angestellte innerhalb von zwei Jahren.
In Sachsen erhalten pharmazeutische Mitarbeitende sechs Werktage innerhalb von zwei Jahren. Bei Filialleitungen sind es zwei Tage zusätzlich. Kaufmännische Angestellte kommen auf drei Werktage innerhalb von zwei Jahren.
Wer hat Anspruch gemäß Tarifvertrag?
Neben der Tarifbindung selbst sind weitere Voraussetzungen zu erfüllen: Mitarbeitende haben erstmals nach einer Wartezeit von sechs Monaten Anspruch auf die Freistellung. Sie müssen dies spätestens einen Monat vor Beginn des jeweiligen Kurses bei der Apothekenleitung beantragen.
Die Apothekenleitung kann die Teilnahme verweigern, falls – etwa durch Krankheit oder Urlaub – aktuell zu wenige Teammitglieder vor Ort wären. Die Teilnahme kann aber zu einem späteren Zeitpunkt erneut beantragt werden.
Findet die Fortbildung in arbeitsfreier Zeit statt, etwa am Wochenende, können Angestellte in gleichem Umfang eine Arbeitsbefreiung verlangen, und zwar innerhalb der nächsten zwölf Wochen.
Müssen Angestellte Fortbildungen besuchen?
Doch auch mit der gegenteiligen Fragestellung hat sich die ADEXA-Rechtsberatung befasst: Wann müssen Apothekenangestellte Fortbildungen besuchen? „Wenn die Apothekenleitung die Fortbildung anordnet und bezahlt, ist die Teilnahme verpflichtend“, sagt Hansen. „Fortbildungen zählen ganz normal als Arbeitszeit und können angeordnet werden.“
Dabei müssen Chefin oder Chef persönliche Umstände berücksichtigen. Ein alleinerziehendes Elternteil beispielsweise kann nicht zu Fortbildungen am Abend oder am Wochenende verpflichtet werden, wenn es keine Betreuungsmöglichkeit für die Kinder gibt.
Unabhängig davon sei, wie Hansen betont, die Teilnahme einschließlich der An- und Abreise als Arbeitszeit zu vergüten.
Michael van den Heuvel
In Teil 2 der Mini-Serie erfahren Sie mehr zum gesetzlichen Bildungsurlaub und zur Frage, ob Rückzahlungsverpflichtungen, die manche Apothekenleitungen vereinbaren, rechtens sind.