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12. Juni 2015

Abgebrochene Ausbildung: Es liegt auch an den Betrieben!

2012 wurde jeder vierte Ausbildungsvertrag vorzeitig aufgelöst. Das liegt aber keineswegs nur an den Azubis. Auch der gewählte Beruf, der Betrieb und die Situation am Arbeitsmarkt spielen eine wichtige Rolle. So ist in Kleinbetrieben das Risiko des Abbruchs erhöht. Zu diesem Ergebnis kommen Expertinnen vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in einer aktuellen Untersuchung.

„Nicht ausbildungsreif!“ Dieses Urteil wird (vor)schnell über Azubis gefällt, wenn sie ihre Ausbildung abbrechen. Doch schaut man genauer hin, dann lassen sich auf beiden Seiten – Ausbildungsbetriebe wie Azubis – Gründe und Risikofaktoren für die vorzeitige Vertragsauflösung finden. Daniela Rohrbach-Schmidt und Alexandra Uhly vom BIBB haben für ihre Studie die Berufsbildungsstatistik, Daten ihres Instituts und der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet. Insgesamt wurden so 51 Berufe und mehr als 330.000 Ausbildungsanfänger betrachtet.

Auffällig ist zunächst, dass die Gründe jeweils beim anderen Vertragspartner gesucht werden: Betriebe geben falsche Vorstellungen über den gewählten Ausbildungsberuf sowie mangelnde Eignung, Leistung und Motivation der Jugendlichen an, schreiben die Autorinnen. Die Azubis selbst klagten dagegen über die Qualität der Ausbildung, Probleme mit Vorgesetzten, hohe Arbeitsbelastung und Überstunden.

Zwar ist das Risiko eines vorzeitig gelösten Vertrages umso größer, je niedriger der Schulabschluss. Doch das ist nicht allein den Azubis anzulasten. Denn es gilt auch: Je geringer die Attraktivität des Lehrberufs und je mehr unbesetzte Stelle es in der Region gibt, desto größer die Abbruchquote. Sprich, wer aufgrund seines wenig ansprechenden Zeugnisses in einem ungeliebten Beruf anfängt, der ist schneller weg, wenn er oder sie doch eine bessere Alternative findet.

Wer viel investiert, beugt dem Abbruch vor

Einen Zusammenhang gibt es außerdem je nach Ausbildungsmodell. Hier unterscheiden die Autorinnen zwischen einem „investiven Modell“ mit hohen Nettokosten (s. u.), bei dem der Betrieb viel in seine Azubis investiert und diese dadurch bindet, und einem „produktiven Modell“ mit niedrigen Nettokosten und einem höheren Abbruchrisiko.

Wer seine Lehrlinge nur als billige Arbeitskräfte betrachte, müsse mit mehr Vertragsauflösungen rechnen, warnen Rohrbach-Schmidt und Uhly.

Kleiner Betrieb, großes Risiko

Betriebsgröße und Abbruchrisiko stehen in einem negativen Verhältnis zueinander. Als Begründung nennen die Autorinnen, dass die Ausbildung in Klein(st)betrieben vielfach nebenbei und weniger professionell vonstattengeht. Im Mittelpunkt stehen nicht die Bedürfnisse des Azubis, sondern die des Betriebsablaufes.

Auch wenn es Probleme zwischen Azubi und Ausbilder gibt, sind Kleinbetriebe im Nachteil. Denn ein interner Wechsel oder neutrale Konfliktschlichtung sind oft nicht möglich. 

Risikosenkend wirkt dagegen ein Betriebs- oder Personalrat im Ausbildungsbetrieb. Dies dürfte sowohl an den günstigeren Rahmenbedingungen als auch am höheren Konfliktlösungspotential liegen.

Assistierte Ausbildung

Um Betriebe und Azubis bei der Ausbildung zu unterstützen, gibt es ein neues, befristetes Instrument: die sogenannte „Assistierte Ausbildung“. Eine entsprechende Regelung im neuen § 130 SGB III ist zum 1. Mai 2015 in Kraft getreten und kann zum Ausbildungsjahr 2015/2016 angewendet werden. Das Prinzip: Reguläre betriebliche Berufsausbildung wird von einem Bildungsträger durch umfassende Vorbereitungs- und Unterstützungsangebote flankiert. Mehr Infos unter www.bibb.de/de/1301.php.

Kosten und Nutzen von Ausbildung

Im Jahr 2007 lagen die durchschnittlichen Bruttokosten einer Ausbildung bei 15.288 Euro, die Erträge bei 11.692 Euro und die Nettokosten damit im Schnitt lediglich bei 3.596 Euro.

Zu den Kosten zählen Experten des BIBB:

  • Personalkosten der Azubis (Vergütungen, Sozialleistungen)
  • Personalkosten der Ausbilder (z. B. haupt- und nebenberufliche Ausbildertätigkeit)
  • Anlage- und Sachkosten (z. B. am Arbeitsplatz oder in der Lehrwerkstatt)
  • Sonstige Kosten (z. B. Lehr- und Lernmaterialien oder Kammergebühren)

Auf der Nutzenseite schlagen zu Buche:

  • Erträge durch die Auszubildenden (insbesondere produktive Leistungen)
  • Nutzen durch die Ausgebildeten (z. B. eingesparte Rekrutierungs- und Einarbeitungskosten)
  • Nutzen durch die Ausbildung (z. B. Imagegewinn, Synergien bei der Weiterbildung)

Dabei gibt es starke Unterschiede je nach Branche. So lagen die Nettokosten bei den Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten sogar im Minusbereich, das heißt, die Erträge übertrafen die Bruttokosten. Die höchsten Nettokosten von 15.528 Euro (Stand 2007) fielen für den oder die Elektroniker/in für Betriebstechnik an. 

Dr. Sigrid Joachimsthaler

Quellen:

Böckler-Impuls Nr. 10 vom 11.6.2015

Daniela Rohrbach-Schmidt, Alexandra Uhly: Determinanten vorzeitiger Lösungen von Ausbildungsverträgen und berufliche Segmentierung im dualen System, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 1/2015

Harald Pfeifer, Gudrun Schönfeld, Felix Wenzelmann: Kosten und Nutzen der betrieblichen Ausbildung - Eine Analyse nach Ausbildungsberufen, BIBB/DJI-Fachtagung „Neue Jugend? Neue Ausbildung?

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