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23. Juni 2015

ADEXA-Erlebnis- und Gewerkschaftstag: Mehr Verantwortung für Apotheker und PTA!

Wer in der Arzneimitteltherapie größere Verantwortung übernehmen will, braucht entsprechende Kompetenzen. Das gilt für alle pharmazeutischen Berufe in der Apotheke, auch für die PTA. Das war ein Fazit des Gewerkschaftstages von ADEXA am 20. Juni in Berlin. Die Standespolitik muss ihre Interessen aber auch gegenüber anderen Heilberuflern durchsetzen. Unverständnis erntete die Haltung des Deutschen Apothekerverbandes, bei der elektronischen Gesundheitskarte auf Diagnosedaten zu verzichten, um sich nicht mit den Ärzten anzulegen. Eine verantwortungsvolle Rolle der Apotheker im Medikationsmanagement wird dadurch fast unmöglich.

ADEXAs Erste Vorsitzende Barbara Neusetzer begrüßte rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim fünften Erlebnis- und Gewerkschaftstag, darunter viele Gewerkschaftsmitglieder und ehrenamtlich Aktive. Wie in den Vorjahren stand ein Mix aus fachlicher Fortbildung, Arbeitsrecht und Kommunikation sowie berufspolitisch aktuellen Themen auf dem Programm. Denn, wie die Apotheken und ihre Mitarbeiter immer wieder zu spüren bekommen: Es reicht nicht, fachlich gut und bei den Patienten beliebt zu sein. Mindestens ebenso wichtig ist das Durchsetzungsvermögen gegenüber anderen Akteuren in der Berufs- und Gesundheitspolitik, in Tarifverhandlungen und manchmal auch am Arbeitsplatz.

Jahresarbeitszeitkonto: Flexibilität braucht klaren Rahmen

Rechtsanwältin Minou Hansen, die Leiterin der ADEXA-Rechtsberatung, begann daher ihren Vortrag auch mit einem Appell an die Mitarbeiter: Je stärker die Nachfrage nach Fachkräften, desto besser die Verhandlungsposition der Angestellten – dies müsse man nutzen. Anschließend ging es um die komplexe Materie des Jahresarbeitszeitkontos. Damit dieses Instrument für beide Seiten – Arbeitgeber wie Arbeitnehmer – von Vorteil ist, müssen die Spielregeln des Tarifvertrages eingehalten werden. Ein gemeinsamer Kommentar von ADA und ADEXA zeige, dass sich die Tarifparteien in der Auslegung einig seien.

Hier ist insbesondere der Arbeitgeber in der Pflicht, wenn es um die schriftliche Vereinbarung inklusive eines Wochenarbeitsplans, die wöchentliche Abzeichnung, Wahrung von Ankündigungsfristen bei geänderten Arbeitszeiten und den Ausgleich von Plus- und Minusstunden zum Jahresende angeht. Wenn in der Apotheke eine elektronische Zeiterfassung benutzt wird, ließe sich diese an die tariflichen und gesetzlichen Vorgaben anpassen. Hansen riet den anwesenden Mitgliedern, sich ihre Arbeitsverträge noch einmal anzuschauen und Neuverträge vor dem Unterzeichnen grundsätzlich von der Rechtsabteilung überprüfen zu lassen. Musterverträge gäbe es von ADEXA, vom Deutschen Apothekerverlag und den Arbeitgeberverbänden.

Burnout: Risikofaktoren, Prävention, Therapie

Burnout wird zwar häufig als Modeerkrankung abgewertet. Tatsächlich gibt es aber bereits in der Bibel, bei Shakespeare und Thomas Mann Beschreibungen eines seelisch-körperlichen Ausgebranntseins. Eine klinische ICD-Diagnose für Burnout kann bislang jedoch nicht gestellt werden, erläuterte Prof. Dr. Kristina Friedland von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg (Molekulare und Klinische Pharmazie). Das Maslach Burnout Inventory als gängiges Testverfahren mit rund 20 Fragen zu drei Dimensionen des Burnout-Syndroms sei vielmehr für die Arbeitspsychologie gedacht. Denn Burnout steht – im Gegensatz zu Differentialdiagnosen wie Depression und chronischer Erschöpfung – immer im Zusammenhang mit dem Arbeitsumfeld. Das kann allerdings auch häusliche Pflegetätigkeiten einschließen. Zu den äußeren Gründen für die Zunahme von Burnout-Situationen gehören der Verlust von Sicherheiten, die ständige Erreichbarkeit, Effizienzsteigerung und Fragmentierung. Als individuelle Stressverstärker nannte Friedland u. a. Perfektionismus, Überverantwortlichkeit, Harmoniedrang und Kontrollzwang. Burnout kann bei starker Ausprägung auch eine Depression nach sich ziehen. Suizidgedanken sind beim klassischen Burnout  aber nicht vorhanden. Therapiert werden sollte ein Burnout immer multimodal, so Friedland. Veränderungen der Arbeitsbedingungen seien unabdingbar, ein Wechsel des  Arbeitsplatzes oder gar des Arbeitsgebers dagegen nicht zwingend nötig. In der EU wurde bereits 2004 eine Rahmenvereinbarung der Sozialpartner, d. h. Arbeitgeber und Gewerkschaften, zu psychischem Stress am Arbeitsplatz getroffen. Im deutschen Arbeitsschutzgesetz ist diese aber erst Ende 2013 umgesetzt worden. Seitdem müssen Unternehmen auch die gesundheitliche Gefährdung ihrer Mitarbeiter auf diesem Gebiet ermitteln.

Mitverantwortung im Medikationsmanagement

Dr. Jochen Pfeifer, PharmD, Apothekeninhaber in Velbert und Mitglied des Lehrkörpers am College of Pharmacy der Universität von Minnesota, stellte in seinem Vortrag Inhalte, Voraussetzungen und Hürden für das Medikationsmanagement in deutschen Apotheken vor. Dabei scheute er sich auch nicht vor umstrittenen Thesen und kritischen Seitenhieben. So forderte er eine stärkere Spezialisierung der Apotheker und eine Pflichtfortbildung nach dem Vorbild der Ärzte. Für die Versorgung von Altenheimen könnte eine Weiterbildung in Geriatrischer Pharmazie zur Voraussetzung gemacht werden. Und die Abrechnung von Kassenrezepten könnte dann von der Teilnahme an Fortbildung abhängig gemacht werden. Aber nicht nur die Qualifikation der Apotheker muss sich den neuen Leistungen anpassen. Pfeifer plädiert auch für eine Verlängerung der PTA-Ausbildung und weitere Schulungsmaßnahmen. Besser qualifizierte PTA würden es den Apothekern erlauben, neue Formen der pharmazeutischen Betreuung umzusetzen, zitierte Pfeifer einen US-amerikanischen Kollegen. Noch aber sei die Arbeit in den öffentlichen Apotheken für viele PhiP ein Kulturschock. Die gut ausgebildeten jungen Nachwuchspharmazeuten wünschen sich zum Beispiel langfristig, dass der Arzt nur noch Diagnosen stelle, während der Apotheker die Pläne für die Arzneimitteltherapie erstellt.

Kommunikation: Zuhören können ist wichtig

Zeitgleich zum Thema Medikationsmanagement konnten sich PKA und andere Interessierte unter der Leitung von Kommunikationsexpertin Marion Nagel in einem Workshop für problematische Gesprächssituationen fit machen. In dem eineinhalbstündigen Seminar fanden die Teilnehmerinnen eine neue Sicht auf das Zuhören und Verstehen von versteckten Botschaften mit Hilfe des Kommunikationsquadrats, basierend auf der Lehre von Friedemann Schultz von Thun, und konnten ihr neues Wissen auch gleich anwenden. Anhand mehrerer Beispiele lernten sie Alltagssituationen in der Apotheke besser zu verstehen. Dabei legte die Leipziger Medienpädagogin besonderen Wert auf die Fähigkeit zuzuhören. Trotz erhöhten Drucks durch Arbeitszeitverdichtung und Personalmangel könnten so Konflikte am Arbeitsplatz gelöst oder abgemildert werden.

Rund um die Vorträge gab es einen lebhaften Austausch zwischen den Teilnehmern. Und Barbara Neusetzer und das Veranstaltungsteam von ADEXA freuten sich über das positive Feedback.

Dr. Sigrid Joachimsthaler
Dragan Pavlovic

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