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08. Dezember 2017

Armutsfalle Teilzeit - Solidarrenten lösen keine konzeptionellen Fehler

Vor wenigen Tagen hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihre Studie „Renten auf einen Blick 2017“ veröffentlicht. Deutschlands Bürgerinnen und Bürger stehen im Alter vergleichsweise schlecht da, so ihr Fazit. Wird eine neue Bundesregierung Lösungen finden?

Der OECD-Studie zufolge haben Geringverdiener in Deutschland ein deutlich höheres Risiko, im Alter mit leeren Taschen dazustehen, als in anderen Mitgliedsländern der Organisation. Angestellte, die jetzt ihr Erwerbsleben beginnen und über Jahre hinweg die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens verdienen, erhalten im Alter gerade einmal netto 55 Prozent ihres Nettolohns von der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Schnitt aller OECD-Staaten liegt bei 73 Prozent. Deutlich darunter liegen Mexiko (30 Prozent) oder Polen (40 Prozent). In Großbritannien oder in den Niederlanden sind es 100 Prozent.

Aufstockung auch in Deutschland geplant

Monika Queisser, Expertin für Sozialpolitik bei der OECD, führt diese Unterschiede darauf zurück, dass es in Deutschland keine staatliche Aufstockung gibt. „Die enge Verbindung von Einkommen und Rentenansprüchen sowie das Fehlen von Grund- und Mindestrenten bedeuten, dass Niedrigverdiener und solche mit geringen Beitragszeiten von Altersarmut bedroht sind“, konstatiert Queisser. Bislang scheiterten die Bemühungen früherer Bundesregierungen, eine Solidarrente auf den Weg zu bringen.

Für SPD-Chef Martin Schulz ist die Solidarrente deshalb zu einer Kernposition für Verhandlungen mit der Union geworden. Sein Konzept sieht vor, dass alle Arbeitnehmer, die mindestens 35 Jahre lang Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, nicht weniger als 850 Euro im Monat auf ihrem Konto finden. Anders als bei der Grundsicherung will Schulz bei der Solidarrente auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichten. Auch das Einkommen des Partners soll bis rund 1.600 Euro nicht angerechnet werden. Die Maßnahmen würden nach ihrer Einführung rasch greifen, das grundlegende Problem aber nicht lösen.

Frauen in der Teilzeitfalle

Queisser spricht in diesem Zusammenhang die übliche Arbeitsteilung in Familien an: Männer verdienen Geld im klassischen Sinne. Frauen übernehmen die Erziehung der Kinder und später die Pflege von Eltern respektive Schwiegereltern, arbeiten aber in geringerem Umfang in entlohnten Arbeitsverhältnissen. „Es ist absolut unverständlich, dass Frauen immer die Arbeitszeit reduzieren und dann diese unbezahlte Arbeit machen“, ergänzt Queisser.

Im Umkehrschluss entscheiden sich Frauen mit guter Ausbildung häufig gegen Kinder. „Ein Studium reduziert die Wahrscheinlichkeit von Nachwuchs um 25 Prozent“, zitierte die Süddeutsche Zeitung Wissenschaftler. Die Aufgabenverteilung scheitert aber nicht nur an der Unterstützung von Männern und der fehlenden Flexibilität von Arbeitgebern.

Negative staatliche Anreize kommen mit hinzu. Durch veraltete Anreizsysteme wie das Ehegattensplitting werden Familienmodelle mit „Frau am Herd“ gefördert. „Der deutsche Staat nimmt einer Mutter, die wieder arbeiten geht, so viel vom Lohn ab wie fast kein anderes Industrieland“, heißt es in einem Kommentar der Süddeutschen Zeitung. Auf die neue Bundesregierung kommen etliche Herausforderungen zu.

Michael van den Heuvel

Quellen:

OECD: Pensions reforms have slowed in OECD countries but need to continue, online: http://t1p.de/tx70

http://www.oecd.org/germany/PAG2017-DEU.pdf

http://t1p.de/qhqi

Statista: Durchschnittlicher Bruttomonatsverdienst von vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern in Deutschland von 1991 bis 2016, online: http://t1p.de/oh4z   

Süddeutsche Zeitung: Familienpolitik: Die „Frau-bleibt-zu-Hause-Ehe“, staatlich gefördert, online: http://t1p.de/nitq

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