26. August 2024
„Der Politik auf den Zahn fühlen“: Gemeinschaft der Heilberufe in Thüringen zur Landtagswahl
ADEXA gehört zu den 13 Organisationen, die sich in Thüringen zusammengeschlossen haben, um ihre Forderungen und Fragen an die Landes- und Bundespolitik im Vorfeld der Wahlen am 1. September 2024 zu transportieren. Interessierte konnten die Veranstaltung am 22. August in Erfurt auch im Live-Stream verfolgen, das Video ist jetzt bei YouTube verfügbar.
Dr. Sabine Köhler begrüßte die anwesenden Gäste aus der Politik und dem Gesundheitswesen. Sie ist Fachärztin mit eigener psychiatrischer Praxis in Jena, Vorsitzende im Berufsverband Deutscher Nervenärzte und Vorsitzende der Gemeinschaft Gebietsärztlicher Berufsverbände (GGB) in Thüringen. Im Namen der Gemeinschaft der Heilberufe in Thüringen forderte sie, die ambulante Versorgung auf Basis der bestehenden Strukturen zu stärken. Von der Politik erwarte man, dass sie zuhöre, verstehe und auf die Anliegen eingehe, betonte Köhler.
Die sechs Handlungsfelder und Forderungen wurde dann als Einstieg in einem Video von Vertreterinnen und Vertretern der Kammern, Verbände und Gewerkschaften von Haus-, Fach- und Zahnärzt:innen, MFA und ZFA sowie den öffentlichen Apotheken erläutert und vertieft:
1. Wir fordern, die angekündigte Ambulantisierung umzusetzen, um Kosten im Gesundheitswesen zu sparen und stationäre Strukturen zu entlasten.
2. Wir fordern eine tragfähige Finanzierung, die auch in der ambulanten Gesundheitsversorgung mindestens einen Ausgleich für Inflation und Kostensteigerungen schafft.
3. Wir fordern eine spürbare und nicht nur verbale Anerkennung des medizinischen, zahnmedizinischen und pharmazeutischen Fachpersonals durch die Förderung und Stärkung von Ausbildung und Qualifizierung sowie eine bessere Einbindung in Versorgungsprozesse.
4. Wir fordern eine deutliche Erweiterung der Studienplatzkapazitäten bei den Heilberufen sowie die Förderung und Stärkung der Ausbildung in den Gesundheitsberufen.
5. Der Bürokratieabbau im Gesundheitswesen muss zeitnah umgesetzt und die Versorgung mit zielgenauen Maßnahmen sowohl bei der Praxis- und Apothekengründung als auch im Versorgungsalltag entlastet werden.
6. Anspruch der Digitalisierung im Gesundheitswesen muss es sein, bestehende Versorgungsprobleme zu lösen und heilberufliche Kooperationen zum Nutzen der Patienten zu ermöglichen. Die dazu notwendige Technik muss nutzerfreundlich, funktionstüchtig und vollständig refinanziert sein. Daten zur Patientensteuerung müssen in heilberuflicher Hand bleiben.
Für ADEXA hatte Bianca Schmidt, PTA und Leiterin der Regionalen Geschäftsstelle Mitte & Ost, im Video Stellung bezogen, für den Verband medizinischer Fachberufe waren dessen Präsidentin Hannelore König und Kolleginnen mit Statements dabei.
Die anschließenden je 15-minütigen Fragen-und-Antwort-Runden an die Parteien wurden von PZ-Chefredakteur Alexander Müller fachkundig, schlagfertig und mit beharrlichem Nachhaken moderiert.
Im Gespräch mit Ralf Plötner (MdL, Die Linke) und Ates Gürpinar (MdB) sprach er auch die schwierigen Tarifverhandlungen im Apothekenbereich an und verwies auf den anwesenden ADEXA-Bundesvorstand Andreas May. Die Lösung der Partei für eine bessere Honorierung der Apotheken sei die Verbesserung der Einnahmenseite durch eine solidarische Bürgerversicherung, in die alle einzahlen, auch die Politiker, lautete die Antwort.
Tina Rudolph, (MdB, SPD) sprach sich, ebenso wie bereits Plötner, dafür aus, dass die Niederlassungsförderung in Thüringen auch auf die Apotheken ausgeweitet wird.
Ann-Sophie Bohm (MdL, Die Grünen) gab an, dass sei nicht die Apothekenreform, „die wir uns wünschen“. ARMIN dagegen würden die Grünen gern flächendeckend ausrollen.
Simone Borchardt (MdB, CDU) plädierte dafür, das Gesundheitssystem effektiver zu machen. Denn es sei viel Geld im System vorhanden. Christoph Zippel (MdL, CDU) betonte das Versprechen, Thüringen in ein „20-Minuten-Land“ zu verwandeln, bei dem alle notwendigen Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger innerhalb dieser Zeit erreichbar seien. Ein Vorbild für die CDU sei das Modellprojekt ErwiN (Erweiterte Übertragung von arztentlastenden Tätigkeiten in ArztNetzen) in Mecklenburg-Vorpommern, bei dem qualifizierte Pflegekräfte im Auftrag von Hausärzten Hausbesuche vornehmen.
Der Einschätzung, es gebe kein Einnahmeproblem, sondern falsche Prioritäten bei den Ausgaben, schloss sich der Thüringer AfD-Vertreter Dr. Wolfgang Lauerwald an. Auf die Nachfrage von Müller, was seine Partei denn für die Apotheken vor Ort plane, weil diese nicht im Wahlprogramm erwähnt seien, kam jedoch keine erhellende Antwort.
Robert-Martin Montag (MdL, FDP) wünscht sich eine bessere Nutzung der Telepharmazie. Die demografische Entwicklung führt aus seiner Sicht zu einem erheblichen Innovationsdruck. Er reklamierte für die FDP das Stoppen der Apothekenreform zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
Für das BSW plädierte Prof. Dr. Johannes Nowak, angestellter Radiologe in einem MVZ in Gotha, für eine stärkere Patientensteuerung, damit die Kapazitäten der Arztpraxen nicht durch unnötige Untersuchungen – und das seien derzeit mindestens 50 Prozent – blockiert würden.
Das Positionspapier der Gastgeber bekam von einigen der anwesenden Politiker:innen gute Noten. Sie könne alle Positionen unterschreiben, sagte zum Beispiel die Grünen-Politikerin Bohm in der abschließenden Runde unter dem Motto „Kurz und knackig“. Tina Rudolph von der SPD betonte, in allen sechs Punkten würde in Berlin etwas passieren.
Nach dem offiziellen Teil konnten alle Vertreterinnen und Vertreter der Gesundheitsberufe noch mit den Parteien ins Gespräch kommen.
sjo
https://live.gesundheitskollaps.de/post
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