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12. März 2017

Diskriminierung durch Vorurteile: Die Lohnlücke beginnt im Kopf

77 Tage arbeiten deutsche Frauen umsonst, vergleicht man ihren durchschnittlichen Bruttostundenverdienst mit dem von Männern. Dass der Abstand sich nur im Schneckentempo verringert, liegt auch an überholten Vorstellungen von Lohngerechtigkeit, folgern Soziologen in einer aktuellen Studie. Eine Frau gilt demnach bereits mit 92 Prozent vom Männerlohn als fair bezahlt.

Die traditionelle Rollenverteilung von Männern als Versorger und Frauen als Zuverdienerinnen steckt tief in den Köpfen, in vielen Fällen wohl eher unbewusst als bewusst: „Da die Frau ja eher aus Neigung arbeiten geht denn aus Notwendigkeit, muss sie auch nicht so viel verdienen …“ Ein Gehalt, das für eine Frau als angemessen angesehen wird, gilt bei einem Mann mit den gleichen Qualifikationen dagegen als zu niedrig, so das Ergebnis der Studie von Katrin Auspurg, Thomas Hinz und Carsten Sauer.

Die Befragung von 1.600 in Deutschland lebenden Personen zeigt, dass Männern ein höherer Bruttolohn zugestanden wird – und zwar nicht etwa nur von ihren Geschlechtsgenossen. Auf die Bewertung anhand einer elfstufigen Fairness-Skala hatte das Geschlecht der Befragten keinen Einfluss. Und auch der Frauenanteil in der Branche spielte keine Rolle.

Bei dem Experiment mussten die Teilnehmenden die Bruttolöhne von fiktiven männlichen und weiblichen Arbeitnehmern bewerten. Als Merkmale wurden neben dem Geschlecht das Alter, der Beruf und die Ausbildung genannt. Eine Teilgruppe bekam darüber hinaus Informationen zur (angeblichen) Berufserfahrung, Betriebszugehörigkeit, zum Gesundheitszustand, zur Anzahl der Kinder und Arbeitsleistung sowie zur Betriebsgröße und wirtschaftlichen Situation des fiktiven Arbeitgebers.

Lässt man das Geschlecht bei der Betrachtung zunächst außer Acht, wirken sich die beruflichen Kriterien bei der Bewertung erwartungsgemäß aus: Mehr Berufserfahrung und bessere Qualifikation werden auch finanziell höher bewertet.

Differenziert man aber bei gleichen Merkmalen nach Frau und Mann, kommen die Forscher zum Ergebnis, dass Männer tendenziell als unterbezahlt und Frauen als überbezahlt gelten. Mit durchschnittlich 92 Prozent vom Gehalt eines gleich qualifizierten Mannes würde eine Frau demnach als fair entlohnt angesehen. Dies sei ein „klarer Hinweis auf Diskriminierung“, so die Autoren.

Übrigens: Teilnehmer der Befragung, die selbst in Berufsfeldern mit einer großen Lohnlücke arbeiten, sind nicht etwa besonders sensibilisiert und kritisch bezüglich dieser Ungerechtigkeit. Stattdessen spiegelt ihre Bewertung  diesen Unterschied auch besonders stark wider. Die Forscher sprechen hier von einer „Internalisierung“: Die Ungleichheit wird als fair akzeptiert und anderen gegenüber reproduziert.

Was könnte den Veränderungsprozess beschleunigen?

Um die alten Rollenbilder und die damit zusammenhängenden Bewertungsmuster aufzubrechen, sind mehr Frauen auf gut bezahlten Führungspositionen nötig. Mit solchen Beispielen vor Augen wird es nach Meinung der Autoren leichter, mehr Lohngerechtigkeit zu verwirklichen.

Sigrid Joachimsthaler

Quelle:

Katrin Auspurg, Thomas Hinz, Carsten Sauer: Why Should Women Get Less? Evidence on the Gender Pay Gap from Multifactorial Survey Experiments, American Sociological Review 1/2017

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