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19. Juli 2015

Duale Ausbildung: Diagnose „besorgniserregend“ - DIHK-Umfrage macht strukturelle Probleme deutlich

Die Zahl der Berufsschulen für duale Ausbildungsberufe geht immer weiter zurück, bundesweit um 6 Prozent, aber in einigen Bundesländern weitaus stärker: Spitzenreiter im negativen Sinne sind Thüringen (minus 42 Prozent) sowie Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern (minus 33 Prozent). Weite Wege für die Azubis und Klagen der Betriebe über mangelnde Angebote sind die Folge, so eine bundesweite Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).

Für „ausgesprochen besorgniserregend“ hält denn auch DIHK-Präsident Eric Schweitzer die Tatsache, dass immer mehr Berufsschulen ihre Tore schließen müssen.

An der Online-Umfrage Anfang 2015 haben sich insgesamt 11.541 Ausbildungsbetriebe beteiligt. Zwar beurteilen die Unternehmen die Berufsschulsituation in ihrer Region mehrheitlich positiv. Aber immerhin fast jeder fünfte ist „eher unzufrieden“, weitere 5 Prozent sind nicht zufrieden. Und 40 Prozent der Betriebe rechnen künftig mit einem Mangel an Lehrkräften, der durch die Förderung von Quereinsteigern gemildert werden soll.

Gewünscht wird eine engere Kooperation zwischen Schule und Betrieb. Lehrkräfte sollten außerdem regelmäßig Praktika in den Ausbildungsbetrieben machen, die dann von den Ländern als Fortbildung anerkannt werden sollten.

Probleme im Osten verstärkt

Besonders gravierend ist die strukturelle Ausdünnung in Ostdeutschland, so der DIHK. Dies liege am „dramatischen Geburtenrückgang der 90er Jahre“. In Brandenburg vermissen bereits 35 Prozent der Ausbildungsbetriebe ein bedarfsgerechtes Berufsschulangebot, in Thüringen sind es 36 Prozent. Bundesweit liegt der Wert bei 21 Prozent. Für diverse Berufe gebe es überhaupt kein Berufsschulangebot mehr im eigenen Bundesland.

Für die Auszubildenden sind die Schließungen von Schulen mit längeren Wegen und Blockunterricht verbunden. Hier könnten für ländliche Regionen digitale Lernplattformen und Lernsoftware eine Chance darstellen, um den Unterricht dezentral organisieren zu können. Das wiederum geht nur mit der nötigen Ausstattung der Schulen und IT-Support. Auch müssten die Azubis weiterhin von den Lehrern intensiv betreut werden.

sjo

Quelle: DIHK

Kommentar von Barbara Neusetzer

Dual, du liegst mir am Herzen

Duale Studiengänge sind gefragt, einzelne der über 1.500 Studiengänge verzeichnen Zuwachsraten von mehr als 80 Prozent. 2014 waren über 90.000 Studierende immatrikuliert. Und rund 41.000 Unternehmen sind dabei beteiligt: ein Erfolgsmodell offensichtlich.

Früher hieß das Erfolgsmodell des deutschen Bildungssystems duale Ausbildung. Für andere europäische Staaten wurde sie zum Vorbild. Aber hierzulande befindet sie sich auf dem absteigenden Ast. Studieren ist angesagt. Eine Lehre machen? Warum? Die einen Schulabgänger sind so gut qualifiziert, dass sie einen Lehrberuf gar nicht erst in Betracht ziehen. Die anderen teils so schlecht, dass die Firmen die Nase rümpfen. So kommt es, dass zwischen Anspruch („am liebsten einen Abiturienten“) und Wirklichkeit  (schrumpfende Schülerzahlen, mangelhafte schulische und Sozialkompetenzen) die Zahl der Ausbildungsplätze, der Berufsschulklassen, ja der Berufsschulen selbst sinkt. Und das einstmals dichte Netz wird dünn und löchrig.

Bei den PKA ist das schon seit geraumer Zeit zu beobachten. Hier kommt vieles an Problemen zusammen: ein Frauenberuf, der nur in Westdeutschland üblich war, schlecht bezahlt und daher ab mittlerer Reife aufwärts nicht attraktiv, eine Ausbildung in Klein(st)betrieben, die oft zu wenig Zeit und Interesse für eine gründliche Anleitung haben ... So stirbt die Ausbildung im Osten aus und ist auch in den Flächenländern problematisch wegen der Entfernung zur nächsten noch existierenden Schule.

Schade, denn Beispiele zeigen, wie wichtig, entlastend und betriebswirtschaftlich vorteilhaft PKA sein können: Wenn man ihnen denn genug Freiraum und Verantwortung gibt. Wenn man die neue Ausbildungsordnung kennt und umsetzt. Und wenn man die Arbeitsbedingungen inklusive des Gehaltes an diesen Qualitäten orientiert – und nicht nach dem Motto „die Letzte beißen die Hunde“.

 

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