28. September 2018
Geschäftsgeheimnis vs. Whistleblower: Gesetzentwurf in der Diskussion
Im Apothekenbereich hat der mutige Einsatz von Whistleblowern zur Aufdeckung eines riesigen Skandals beigetragen. Der Fall des Bottroper Zyto-Apothekers ist durch die Hinweise zweier Mitarbeiter ins Rollen gebracht worden. Wie wird sich das geplante Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen auf die Situation von Angestellten in solchen Fällen auswirken?
Im Bottroper Fall haben die Mitarbeiter sogar den „Whistleblower-Preis“ für ihren Mut und Einsatz bekommen. Und es wird sicher niemand in Frage stellen, dass es moralisch absolut erforderlich war, die gesetzeswidrigen Zustände in dieser Apotheke öffentlich zu machen, um die Gesundheit der betroffenen Patienten zu schützen.
Andere Apothekenangestellte befinden sich manchmal im Zwiespalt. Sie wissen, dass PKA im Handverkauf eingesetzt werden. Oder sie sehen, dass die Apotheke geöffnet wird, ohne dass vertretungsberechtigtes Personal anwesend ist. Nach den geltenden arbeitsrechtlichen Regelungen muss man in derartigen Fällen zunächst intern, also mit der Apothekenleitung, eine Lösung suchen. Der Missstand muss dort also mitgeteilt werden und die Apothekenleitung aufgefordert werden, Abhilfe zu schaffen. Eine Offenlegung betrieblicher Missstände gegenüber Dritten kann ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung sein, wenn dieses Verhalten unverhältnismäßig war.
Umsetzung einer EU-Richtlinie
Um Whistleblower, die Verstöße gegen EU-Recht melden, besser vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen, gibt es bereits einen Vorschlag für eine neue EU-Richtlinie.
Andererseits wünschen sich Unternehmen berechtigterweise einen besseren Schutz vor Industriespionage. Auch in Deutschland soll daher noch 2018 ein Gesetz in Kraft treten, das für Whistleblower besondere Ausnahmen enthält: das Gesetz zum besseren Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG). Damit soll eine europäische Richtlinie von 2016 umgesetzt werden, die auf einen europaweit einheitlichen Standard abzielt.
Im Apothekenbereich könnten solche Geschäftsgeheimnisse besondere Rezepturen für Eigenmarken sein. Wenn Mitarbeiter diese an die Konkurrenz verraten, kann der Apotheke ein wirtschaftlicher Schaden entstehen. Das Gesetz soll Unternehmen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geben, falls deren Geheimnisse verraten werden. Ein Kritikpunkt lautet, dass es offensichtlich allein Entscheidung des Unternehmers ist, was ein schützenwertes Geschäftsgeheimnis darstellt. Es wird u. a. befürchtet, dass Firmen versuchen werden, selbst unlauteres Geschäftsgebaren als Geschäftsgeheimnis zu deklarieren.
Ob sich die gesetzliche Regelung im Apothekenbereich praktisch auswirken wird, ist fraglich. So bleiben die Vorgaben von § 203 Strafgesetzbuch, die den Schutz von Privatgeheimnissen zwischen Patient und Heilberufler regeln, ausdrücklich unberührt. Auch sind in den meisten Arbeitsverträgen bereits umfangreiche Verschwiegenheitsverpflichtungen enthalten. Es wird sich in Zukunft zeigen, welche Vorgänge – von den oben genannten Rezepturen für Eigenmarken einmal abgesehen – schützenswert sein sollten.
Positiv wird in dem Gesetz ein ausdrücklicher Schutz für Personen installiert, die aus einem übergeordneten öffentlichen Interesse Fehlverhalten oder rechtswidrige Handlungen aufdecken. Das GeschGehG schränkt ihnen gegenüber allerdings nur die Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche der Unternehmen ein. Ein unmittelbarer arbeitsrechtlicher Schutz ist allein durch das Gesetz noch nicht vorgegeben.
Angestellte behalten auch das Recht, ihre Arbeitnehmervertretung zu kontaktieren und dabei Geschäftsgeheimnisse wie z. B. einen geplante Abbau von Arbeitsplätzen offenzulegen, wenn dies nötig ist, damit der Betriebsrat bzw. die Gewerkschaft ihre Arbeit machen können. Gleichzeitig kann die Arbeitnehmervertretung durch diesen Vorgang ein Geschäftsgeheimnis erlangen, ohne sich strafbar zu machen.
Minou Hansen
Rechtsanwältin bei ADEXA
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