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30. Juli 2015

Gesundheits-Apps in der Diskussion: „Unbedachte Preisgabe sensibler Daten“

Apps zu Wellness und Gesundheit sind beliebter denn je. Nicht jedes kleine Programm hält, was Entwickler vollmundig versprechen. Auch warnen Datenschützer, Informationen über die eigene Gesundheit preiszugeben. Krankenkassen haben bereits ihr Interesse signalisiert.

Der Markt wächst: Unter allen schätzungsweise drei Millionen verfügbaren Apps sind 87.000 kleine Programme rund um Wellness oder Gesundheit. Hinzu kommen weitere 55.000 medizinische Apps. Laut Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verschwimmen entsprechende Grenzen zwischen beiden Kategorien immer stärker. Umso wichtiger wären Standards. Verbraucher machen sich kaum Gedanke über die Qualität kleiner Programme.

Software oder Medizinprodukt

Genau hier liegt ein großes Problem: Viele Apps sind Medizinprodukte – und fallen eigentlich unter das Medizinproduktegesetz. Anbieter gehen recht lax mit der Thematik um. Prüfungen oder Zulassungen erfolgen nicht nach diesem Standard. Beispielsweise müsste im Zuge eines Konformitätsverfahrens nachgewiesen werden, inwieweit Anwendungen medizinische oder technische Leistungen erfüllen. Darüber hinaus wäre eine Risikoklassifikation erforderlich. Apothekenangestellte sollten bei medizinischen Fragestellungen nur Apps verwenden beziehungsweise empfehlen, die als Medizinprodukt deklariert worden sind und auch das CE-Kennzeichen tragen. Ansonsten haften sie womöglich für fehlerhafte Funktionalitäten. Datenschutz kommt als weiteres Thema mit hinzu, wobei Verbraucher für das Thema noch sensibilisiert werden müssen.

Begehrtes Gut

Einige Beispiele: Besonders begehrt sind Messgeräte und Apps, um die eigene Fitness zu bestimmen, die Herzfrequenz zu messen, Schritte zu zählen oder den Kalorienverbrauch zu quantifizieren. Eine wachsende Fangemeinde, bekannt als „Quantified Self“-Bewegung, bestimmt etliche Vitalparameter, um ihren Körper zu optimieren. Teilweise erheben sie ganze Krankengeschichten. Viele Daten wecken Begehrlichkeiten – bei gesetzlichen und privaten Krankenkassen. Bestes Beispiel ist das Start-up-Unternehmen dacadoo. „Verfolgen und verwalten Sie Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden auf einfache und spielerische Weise mit dem dacadoo Gesundheitsindex“, heißt es auf der Website. Eine Zahl zwischen 1 (tief) und 1.000 (hoch) dient als Messlatte für das Wohlbefinden. Dacadoo-Gründer Peter Ohnemus liebäugelt mit Krankenversicherungen – und ist fündig geworden. Die AOK Nordost offeriert Mitgliedern eine Jahreslizenz der App, wenn auch ohne Bonusprogramm. Generali geht den entscheidenden Schritt weiter und plant für Deutschland ab 2016 einen Tarif mit Boni, sollten Mitglieder per App ihren gesunden Lebensstil nachweisen.

Nepper – Schlepper – Bauernfänger

Versicherungstarife dieser Art klingen speziell für junge, gesunde Menschen verlockend. Konzerne könnten jedoch Prognosen über die gesundheitliche Entwicklung der Versicherten nutzen, um Risikoprofile zu erstellen und Beiträge gegebenenfalls nach oben zu korrigieren. Während gesetzliche Versicherungen hier vergleichsweise wenig Spielraum haben, können Mitglieder privater Unternehmen der Erfassung vertraglich zustimmen. „Allen Anwendern, die Fitness-Apps freiwillig herunterladen, rate ich, nicht unbedacht mit ihren sensiblen Gesundheitsdaten umzugehen und die kurzfristigen finanziellen Vorteile, welche die Datenoffenbarung vielleicht mit sich bringt, gegen die langfristigen Gefahren abzuwägen“, sagt Andrea Voßhoff, Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit. „Die Mitglieder gesetzlicher Kassen sind durch Gesetz vor der unbedachten Preisgabe sensibler Daten und den damit verbundenen unabsehbaren Folgen geschützt. Der Gesetzgeber sollte erwägen, diesen Schutz auch den Versicherten privater Kassen zu gewähren.“

Michael van den Heuvel

 

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