News

zurück zur Übersicht AKTUELLES >>

15. Juni 2020

Mindestlohn erhöhen trotz Corona-Pandemie: WSI und IMK befürworten Stärkung des privaten Konsums

Zur Bewältigung der Corona-Krise ist es ökonomisch und sozial weiterhin vernünftig, den Mindestlohn schrittweise auf 12 Euro zu erhöhen, sagen Wirtschaftsexperten von WSI und IMK in ihrer aktuellen Stellungnahme für die Mindestlohn-Kommission.

Seit der Einführung im Jahr 2015 hat der Mindestlohn vielen Menschen in Niedriglohnsektoren ein höheres Einkommen gebracht. Dabei ist die Zahl der Arbeitsplätze in dieser Zeit – entgegen der Befürchtung von Kritikern – nicht etwa eingebrochen, sondern kräftig gestiegen.

Eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro, von aktuell 9,35 Euro, steht bereits seit geraumer Zeit auf der Agenda von Gewerkschaften sowie von SPD, Grünen und der Partei Die Linke. Auch 80 Prozent der Bevölkerung sahen dies Anfang 2019 in einer Umfrage von Infratest Dimap als „richtige Richtung“ an.

Wiederbelebung der Wirtschaft durch Inlandsnachfrage

Als wichtigen Effekt bewerten die Wissenschaftler des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) und des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung die Stärkung der privaten Konsumnachfrage und damit des deutschen Wirtschaftswachstums seit Einführung des Mindestlohns. Dies sei daher auch zur Wiederbelebung der Wirtschaft aus dem Corona-Tief der richtige Weg. Profitieren würden rund 10 Millionen Beschäftigte, heißt es in ihrer gemeinsamen Stellungnahme.

„Politik und Ökonomen sind sich einig, dass die Nachfrage in Deutschland nach den Einschränkungen zur Corona-Bekämpfung dringend angekurbelt werden muss“, sagt Prof. Dr. Thorsten Schulten, Tarifexperte des WSI. „Dabei werden Unternehmen direkt oder indirekt mit vielen Milliarden Euro unterstützt. Eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns wäre ein weiterer wichtiger Baustein, ebenso wie die Stärkung der Tarifbindung in Deutschland.“

Mit der Mindestlohnsteigerung auf 12 Euro würde der private Konsum langfristig preisbereinigt um 1,4 bis 2,2 Prozent höher ausfallen und die Wirtschaftsleistung um 0,5 bis 1,3 Prozent, so die Wissenschaftler.

Deutschland weit unterhalb der 60-Prozent-Schwelle

Beim Mindestlohnniveau macht Deutschland im europaweiten Vergleich keine gute Figur: Mit 45,6 Prozent vom Medianlohn und einer seit Jahren sinkenden Tendenz liegt er hierzulande deutlich unter dem europäischen Schnitt von 50,7 Prozent – und ist weit entfernt von den 60 Prozent des mittleren Lohns, die als „Armutsgrenze“ gelten. Derzeit sind das in Deutschland bereits 12,21 Euro!

Dazu ein Blick auf die Apotheken: PTA in den ersten beiden Berufsjahren liegen derzeit im Tarifbereich des ADA (Bundesgebiet ohne Nordrhein und Sachsen) gerade einmal wenige Cent über dieser Grenze (12,24 Euro pro Stunde).

PKA erreichen diesen Wert sogar erst ab dem 14. Berufsjahr mit dann 13,02 Euro pro Stunde. 

Alterssicherung

Auch mit Blick auf die Absicherung im Alter sei eine Erhöhung sinnvoll: Um eine Rente knapp oberhalb der Grundsicherung zu erzielen, wäre bereits 2019 ein Mindestlohn von 11,51 Euro nötig gewesen, heißt es in der Stellungnahme.

Vorbild Systemgastronomie

Da es sich jedoch um ein ambitioniertes Projekt handele, müsse die Erhöhung gut vorbereitet sein und schrittweise erfolgen, schreiben die Autoren. Als mögliches Vorbild nennen sie den neuen NGG-Tarifvertrag in der Systemgastronomie (McDonald’s, Burger King, Starbucks, Nordsee, Tank und Rast u. a.). Dort werden die niedrigsten beiden Tariflohngruppen ab Juli 2020 in mehreren Schritten bis Dezember 2023 von 9,00 Euro auf 11,80 Euro pro Stunde bzw. von 9,25 Euro auf 12,00 Euro angehoben.

sjo

Quellen

zurück zur Übersicht AKTUELLES >>