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29. September 2017

Soziale Spaltung wirksam bekämpfen: IMK-Studie macht Vorschläge für mehr Gerechtigkeit

Armut bekämpfen, die gesellschaftliche Mitte stärken und die wirtschaftlich Starken mehr an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen – diese Ziele stehen hinter einem Maßnahmenbündel, das Ökonomen des IMK an der Hans-Böckler-Stiftung vorgelegt haben. Denn die neuesten Daten zeigen: Die Kluft zwischen den Einkommensschichten wächst und die Mittelschicht schrumpft.

Seit 30 Jahren liefert das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), eine repräsentative Befragung  von etwa 30.000 Bürgern aus fast 11.000 deutschen Haushalten, aktuelle Zahlen für zahlreiche Studien und Analysen. In diesem Fall haben IMK-Direktor Gustav Horn und sein Expertenteam zunächst untersucht, wie sich das durchschnittliche verfügbare Einkommen seit 1991 in drei Einkommensgruppen entwickelt hat. Zur oberen Einkommensschicht gehört demnach, wer über mindestens 150 Prozent des mittleren Einkommens verfügt, zur unteren Einkommensgruppe diejenigen, die weniger als 70 Prozent zur Verfügung haben. Haushalte zwischen 70 und 150 Prozent wurden von den Autoren zur Mitte gerechnet.

Das Ergebnis: Im Zeitraum von 1991 bis 2014 stieg das reale Einkommen der oberen Gruppe um 17,4 Prozent, das der Mittelschicht um 9,9 Prozent und das der unteren Gruppe um lediglich 2,7 Prozent. Der Abstand zwischen Gering- und  Gutverdiener ist also deutlich gestiegen!

Auffällig ist auch: Der Anteil der Haushalte mit mittlerem Einkommen hat  in den fast zweieinhalb Jahrzehnten von 63,4 Prozent (1991) auf 56,4 Prozent (2014) abgenommen, ein Minus von sieben Prozent.

Mit Einzelmaßnahmen sei diese soziale Spaltung nicht zu beheben, so die IMK-Forscher, sondern nur mit einem „Bündel politischer Entscheidungen, die die Regeln wirtschaftlichen Handelns so verändern, dass einerseits die wirtschaftliche Dynamik erhalten bleibt, anderseits die Ungleichheit vermindert wird“.

Vorschläge gegen die Armut

Als Maßnahmen gegen die wachsende Armut und für die untere Einkommensschicht nennt die IMK-Studie:

  • Prekäre Beschäftigungsverhältnisse sollten eingedämmt werden.
  • Der Mindestlohn solle schneller steigen.
  • Der Hartz-IV-Regelsatz solle an die Entwicklung des Mindestlohns angepasst werden.
  • Die gesetzliche Rente müsse gestärkt werden.

Vorschläge für die Stärkung der Mitte

Um die mittlere Einkommensgruppe zu stabilisieren, empfehlen Horn und Kollegen folgende Weichenstellungen:

  • Das Tarifsystem sollte gestärkt werden – z. B. durch die erleichterte Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen. Von Tarifverträgen profitieren laut Studie besonders die Bezieher mittlerer und niedriger Gehälter.
  • Statt des Ehegattensplittings solle es ein höheres Kindergeld geben.
  • Finanzschwache Kommunen sollten entlastet werden, damit sie in Infrastruktur wie Schulen und frühkindliche Bildung investieren können. Das verbessere die Situation der mittleren und unteren Einkommensgruppe mehr als etwaige Steuersenkungen.

Starke mehr beteiligen

Um Gutverdiener stärker in die Verantwortung für das Gemeinwesen zu nehmen, befürwortet das Autorenteam diverse steuerliche Maßnahmen:

  • Unternehmensgewinne sollten effektiver besteuert werden und Steuerschlupflöcher z. B. für internationale Konzerne geschlossen werden.
  • Auch private Steuerflucht müsse konsequent verfolgt werden.
  • Der Spitzensteuersatz solle angehoben und die Vermögenssteuer reaktiviert werden.
  • Bei der Erbschaftssteuer müssten auch Unternehmenserben stärker herangezogen werden.
  • Die Grundsteuer solle in eine Bodenwertsteuer umgewandelt werden, bei der die finanzielle Belastung auf die Zahl der Wohneinheiten pro Grundstück aufgeteilt würde. Dieser Anreiz zu einer effektiven Nutzung von Grundbesitz könne auch die Wohnraumknappheit in Ballungsräumen lindern helfen.

Was kommt in den Koalitionsvertrag?

Es dürfte ein Zeichen für den sozialpolitischen Anspruch der künftigen Regierung sein, welche dieser Forderungen in den Koalitionsvertrag für die nächste Legislaturperiode Eingang finden. Aus Sicht von ADEXA gehören eine Stärkung des Tarifsystems und der gesetzlichen Rente sowie die effektive Förderung von Familien mit Kindern ganz oben auf die Prioritätenliste.

Fakt ist: Die soziale Spaltung der Gesellschaft zu bekämpfen und auf ein stärker solidarisches Gemeinwesen hinzuarbeiten, erscheint mit Blick auf das Wahlergebnis tatsächlich „ohne Alternative“ zu sein.

sjo

Quelle: Gustav A. Horn, Jan Behringer, Sebastian Gechert, Katja Rietzler, Ulrike Stein: Was tun gegen die Ungleichheit? Wirtschaftspolitische Vorschläge für eine reduzierte Ungleichheit, IMK-Report Nr. 129, September 2017; in Böckler Impuls Ausgabe 14/2017

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