03. August 2024
Reich und gesund – arm und krank: Studie zeigt die Bedeutung sozialer Unterschiede für medizinische Risiken
Reichtum und Gesundheit gehen Hand in Hand: In Deutschland leben reiche Männer 8,6 Jahre länger als ihre ärmeren Geschlechtsgenossen. Bei Frauen beträgt der Unterschied 4,4 Jahre. Dies zeigt eine Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP).
Menschen in prekären Verhältnissen leben oft unter schlechteren Bedingungen für ihre Gesundheit. Dies kann verschiedene Erkrankungen begünstigen. Gesundheitliche Beeinträchtigungen wiederum erschweren den sozialen Aufstieg: ein Teufelskreis. Der Zusammenhang sei komplex, betonen die Forschenden.
Unterschiede bei einer Vielzahl an Erkrankungen
Ein Blick auf die Details: Soziale Unterschiede spielen bei vielen Leiden, etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen, Muskel- und Skeletterkrankungen sowie Stoffwechselerkrankungen und psychischen Störungen eine große Rolle. Personen mit niedrigem Sozialstatus haben beispielsweise ein doppelt bis dreimal so hohes Risiko, an einer koronaren Herzkrankheit zu erkranken. Und ein Viertel aller Kinder aus sozial schwachen Familien ist psychisch auffällig, verglichen mit einem Zehntel in gut situierten Familien.
Regionale Unterschiede zeigen sich bei der Datenanalyse ebenfalls. In wirtschaftlich benachteiligten Gegenden sterben mehr Menschen an Herzkrankheiten und an Krebs als in Regionen mit hoher Kaufkraft.
Doch soziale Verhältnisse beeinflussen nicht nur Erkrankungen selbst, sondern auch deren Therapie. Menschen mit niedrigem Einkommen verzichten häufiger auf Arztbesuche als finanziell besser gestellte Menschen – teilweise aufgrund der schlechten Erreichbarkeit von Praxen, teilweise aufgrund der Sorge, sich Zuzahlungen nicht leisten zu können.
Auch ist die medizinische Versorgung in sozial benachteiligten Gebieten oft schlechter. Kassenpatienten warten länger auf Termine als privat Versicherte. Und Menschen mit hohem Sozialstatus suchen häufiger Fachärzte auf als Personen, die sozioökonomisch schlechter gestellt sind.
Noch viele offene Fragen
Es fehlen jedoch systematische Analysen der sozioökonomischen Unterschiede in der medizinischen Versorgung. Wichtig sei, so die Autoren, Menschen zu identifizieren, deren Zugang zu medizinischen Leistungen besonders erschwert ist. Nationale Aktionsprogramme wie in England, Schweden oder Norwegen können als Vorbild dienen (siehe auch DAZ vom 18.07.2024, Nr. 29, S. 20: Kostenlose OTC-Arzneimittel - Apotheken versorgen Bedürftige)
Michael van den Heuvel
Quellen
- Jens Hoebel, Stephan Müters: Sozioökonomischer Status und Gesundheit, WSI-Mitteilungen 3/2024.
- Julia Roick, Matthias Richter: Soziale Determinanten der Gesundheit und der gesundheitlichen Versorgung, WSI-Mitteilungen 3/2024, Juni 2024.
Niedriger Sozialstatus: Personen oder Haushalte im untersten Einkommensbereich, oft unterhalb der Armutsgrenze; geringe Schulbildung, oft nur Hauptschulabschluss; niedrige berufliche Positionen, häufig ungelernte oder geringqualifizierte Tätigkeiten, hohe Arbeitslosigkeit oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse.
Hoher Sozialstatus: Personen oder Haushalte im obersten Einkommensbereich, oft weit über dem Durchschnittseinkommen; hohe Bildungsabschlüsse wie Abitur und Hochschulabschlüsse; hohe berufliche Positionen, etwa leitende Angestellte, Akademiker, Manager oder Unternehmer.
Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist eine umfassende und langfristige Wiederholungsbefragung von Haushalten in Deutschland, die seit 1984 jährlich durchgeführt wird. Ziel des SOEP ist, detaillierte Informationen über die Lebensbedingungen, Einstellungen und Verhaltensweisen der in Deutschland lebenden Bevölkerung zu sammeln und zu analysieren.
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