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06. Oktober 2017

Ausbildungsplätze: Frauen werden nach wie vor diskriminiert

Tanja Kratt. Foto: ADEXA
Foto: contrastwerkstatt - Fotolia

Der Berufseinstieg wird Frauen von den Ausbildungsbetrieben immer noch schwer gemacht, gerade auch in typischen Männerberufen. Eine weibliche Bewerberin muss – bei sonst gleichen Qualifikationen – einen um eine ganze Note besseren Notendurchschnitt vorweisen als männliche Mitbewerber.

Nur eine vierjährige Lücke im Lebenslauf wiegt in den Augen von Personalverantwortlichen bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen noch schwerer im negativen Sinne als die Tatsache, eine Frau zu sein. Das ergab eine experimentelle Befragung des Bundesinstituts für berufliche Bildung (BIBB) in über 600 Ausbildungsbetrieben aus verschiedenen Branchen. Den Entscheidern wurden fiktive Lebensläufe vorgelegt. Anschließend wurden sie gefragt, wie groß auf einer Skala von 1 bis 10 die Wahrscheinlichkeit sei, den Bewerber bzw. die Bewerberin einzuladen. Alle vermeintlichen Kandidaten hatten als Schulabschluss mittlere Reife. Geschlecht, Alter, Notenschnitt, Bewertung des Sozialverhaltens, Zahl der unentschuldigten Fehltage sowie Tätigkeiten nach Schulabschluss und der Beruf des Vaters variierten.

Signifikanter Frauen-Malus

Das Ergebnis: Frauen wurden signifikant schlechter bewertet als Männer. Die Forscher sprechen von einer „ökonomisch substanziellen“ Geschlechterdiskriminierung. Der Frauen-Malus beträgt etwa eine Verschlechterung um eine ganze Note im Notenschnitt.  

Besonders stark  ist die Benachteiligung von Bewerberinnen in Berufen mit hohem Männeranteil. Umgekehrt gilt das aber nicht für (fiktive) Männer, die einen Frauenberuf ergreifen möchten.

"Sei ein Mann - oder werde Pflegerin"

Das ist – von der mangelnden Geschlechtergerechtigkeit ganz abgesehen – auch keine gute Ausgangslage, um den Fachkräftemangel in technischen Berufen durch einen höheren Frauenanteil zu bekämpfen, meinen die Ökonomen Dorothea Kübler, Julia Schmid und Robert Stüber.

Ihrem englischsprachigen Diskussionspapier haben sie übrigens den (wahlweise provokant oder resignativ zu deutenden) Titel „Be a man or become a nurse“ gegeben.

sjo

Quelle: WZB Discussion Paper No. SP II 2017-201

in Böckler Impuls 14/2017

 

Vorurteile abbauen 

Ein Kommentar von ADEXA-Vorstand Tanja Kratt

Einerseits klagt die deutsche Wirtschaft über den wachsenden Fachkräftemangel. Andererseits wird es der größten Gruppe mit Rekrutierungspotential, nämlich den Frauen, offenbar immer noch unnötig schwer gemacht, wenn sie sich für einen Ausbildungsberuf bewerben. Und zwar nicht nur, aber besonders, wenn dieser Beruf nicht den gängigen Klischees einer für Frauen „üblichen“ Tätigkeit entspricht. Was ist zu tun, um hier Veränderungen zu schaffen?

Bei der Einstellungspraxis der Betriebe liegt es sicher an Vorbehalten gegenüber Arbeitnehmerinnen, was Schwangerschaften und die Aufteilung der Familienpflichten nach dem Mutterschutz angeht. Hier ist vor allem die Politik gefragt, denn die Realität hinkt den Wünschen von Paaren nach einer partnerschaftlichen Aufteilung noch deutlich hinterher. Elternzeitgesetze mit den „Vätermonaten“ haben zwar kleine Verhaltensänderungen auf beiden Seiten – Arbeitgebern wie Arbeitnehmern – ausgelöst. Doch das reicht noch nicht aus. Eine vollzeitnahe Familienarbeitszeit könnte einen weiteren Schub in die richtige Richtung bringen, ebenso das Rückkehrrecht auf Vollzeit, das eigentlich schon in der vergangenen Legislaturperiode im Koalitionsvertrag stand. Auch bei Kleinkinderbetreuung, Hortausbau und dem Angebot an Ganztagsschulen ist noch Luft nach oben!

Vorurteile gibt es aber auf beiden Seiten. Der Girls’ Day, bei dem Mädchen während der Unterstufe in „Männerdomänen“ hineinschnuppern und sich für diese begeistern sollen, scheint nicht auszureichen. So wie Sozialpraktika in vielen Schulen vorgeschrieben sind (was besonders für die Jungen relevant ist, um den Männeranteil in Erziehung und Pflege zu erhöhen), sollte man vielleicht auch ein mehrwöchiges Praktikum in einem technischen Beruf während der Mittelstufe für Mädchen verpflichtend einführen. Positive Erfahrungen in solchen Praktika können Vorurteile bei Ausbildern und Schülerinnen bei ihrer Berufswahl abbauen helfen.

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