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27. Februar 2020

Coronavirus-Epidemie aus arbeitsrechtlicher Sicht: Was Apothekenangestellte wissen sollten

Auch in Deutschland infizieren sich zunehmend Menschen mit dem neuartigen Coronavirus, SARS-CoV-2, der die Lungenerkrankung COVID-19 auslösen kann. Italien hat ganze Ortschaften unter Quarantäne gestellt und Geschäfte geschlossen: ein Szenario, das auch bei uns denkbar ist. Welche Rechte und Pflichten haben Apothekenangestellte?

Öffentliche Apotheken stellen die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten und Medizinprodukten sicher. Gegen SARS-CoV-2 gibt es zwar bisher weder Impfstoffe noch zugelassene Arzneimittel. Patienten benötigen neben der üblichen Grundversorgung aber vielleicht Präparate zur symptomorientierten Therapie. Desinfektionsmittel und – derzeit wohlgemerkt nicht empfohlen – FFP-2- oder FFP-3-Masken kommen eventuell hinzu.

Einschränkung von Grundrechten auf Basis des Infektionsschutzgesetzes

Landesregierungen können entscheiden, Betriebsstätten zu schließen. Grundlage solcher Maßnahmen ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Falls erforderlich, dürfen Grundrechte wie die Freiheit der Person, die Versammlungsfreiheit oder Unverletzlichkeit der Wohnung sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit eingeschränkt werden.

Das bedeutet: Behörden bekommen im Falle einer Epidemie oder gar Pandemie die Möglichkeit, Passagiere in Verkehrsmitteln aller Art zu kontrollieren – oder Straßen, Bahnverbindungen, Bahnhöfe und Flughäfen ganz zu sperren. Sie können Veranstaltungen verbieten und haben die Möglichkeit, Untersuchungen ohne Zustimmung von potenziell Infizierten durchzuführen. Im Falle einer Quarantäne verhängen sie eine Ausgangssperre und schließen Geschäfte – auch Apotheken.

Ministerium bestätigt Lohnfortzahlung

Welche Folgen hat das für Beschäftigte? „Kann der Arbeitgeber bei Auftreten des Coronavirus aufgrund einer behördlichen Anordnung des Infektionsschutzes Arbeitnehmer nicht beschäftigen, werden diese von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei“, erklärte ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums auf Anfrage des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“. Die Erbringung der Arbeitsleistung sei Angestellten unmöglich.

Und weiter: „Die ausgefallenen Arbeitszeiten müssen grundsätzlich nicht nachgearbeitet werden. Im Hinblick auf die Entgeltfortzahlung gilt, dass der Arbeitgeber grundsätzlich weiter zur Entgeltzahlung verpflichtet bleibt, wenn die Arbeitnehmer arbeitsfähig und arbeitsbereit sind, aber der Arbeitgeber sie aus Gründen nicht beschäftigen kann, die in seiner betrieblichen Sphäre liegen.“

Klare Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch

Grundlage bildet § 615 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur „Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko“. Demnach trägt nur die Inhaberin bzw. der Inhaber das Risiko, falls im Betrieb nicht gearbeitet werden kann. Dies gilt juristisch als Gegenpol zum Weisungsrecht von Arbeitgebern. Warum es zu Betriebsstörungen kommt, ist unerheblich. Das gilt nicht nur für Epidemien. Auch bei Naturkatastrophen (Erdbeben, Überschwemmungen, Bränden), Unglücksfällen sowie bei extremen Witterungsverhältnissen haften Apothekenleitungen, aber nicht ihre Angestellten. Das wurde vom Bundesarbeitsgericht bestätigt (Urteil vom 30.1.1991, 4 AZR 338/90).

Eventuell können Inhaber Kurzarbeit beantragen. Dann besteht ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Alternativ sind Arbeiten im Backoffice bei geschlossener Apotheke möglich, soweit Behörden dies im Epidemiefall zulassen.

Das Wegerisiko liegt bei Angestellten

Für den Weg zur geöffneten Apotheke sind Angestellte aber selbst verantwortlich – auch im Epidemiefall. Gibt es starke Einschränkungen bei Bussen oder Bahnen, müssen sie früher los oder alternativ Fahrgemeinschaften bilden. Wer zu spät am Arbeitsplatz eintrifft, hat die fehlende Zeit entweder nacharbeiten oder sich als Minusstunden anrechnen lassen.

Michael van den Heuvel

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