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23. September 2024

Investitionsstau und soziale Schieflage: Deutschlands Nachhaltigkeitsziele unter der Lupe

Etliche Krisen haben Deutschlands Nachhaltigkeit stark in Mitleidenschaft gezogen. Eine Analyse zeigt, wo es Defizite gibt. Die Autoren fordern, bei der Schuldenbreme dringend nachzubessern.

Internationaler Krisen – von der Corona-Pandemie bis hin zum Ukraine-Krieg – bleiben nicht ohne Folgen. Zwar hat die Bundesregierung durch Maßnahmen wie Kurzarbeit, Unterstützungszahlungen und Energiepreisbremsen versucht, die schlimmsten Folgen abzumildern, doch meist ohne Erfolg. Das zeigt eine neue Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.

Fabian Lindner und Anita Tiefensee haben zwischen 2019 und 2023 genau 15 Indikatoren zu wichtigen politischen oder gesellschaftlichen Zielen erfasst. Dabei verzeichnet nur die Arbeitsmarktentwicklung klare Fortschritte. Bei der Senkung der Treibhausgasemissionen gab es zumindest Verbesserungen.

Deutschlands Wirtschaft schwächelt

Ein Blick auf Details: Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf war im Jahr 2023 niedriger als 2019. Die Regierung konnte Effekte der Coronakrise und der steigenden Energiepreisexplosion zwar abschwächen. Folgen für die Wirtschaft gab es dennoch, was Lindner und Tiefensee anhand verschiedener Details erläutern.

Problematisch seien die „spärlichen Investitionen“, wie es in der Analyse heißt. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds im November 2023 hat die Investitionsaussichten weiter getrübt. Die Richter hatten entschieden, dass die Umschichtung von 60 Milliarden Euro an ursprünglich für die Corona-Pandemie vorgesehenen Kreditmitteln in den Klima- und Transformationsfonds verfassungswidrig war. Sie fehlen jetzt für verschiedene Projekte.

Das starre Festhalten an der Schuldenbremse hemme die öffentlichen Investitionen und die Transformation zur Klimaneutralität, heißt es in der Analyse (s. o.). Die Forschenden empfehlen eine Reform der Schuldenbremse, um beispielsweise Kredite für Nettoinvestitionen zu ermöglichen.

Soziale Nachhaltigkeit: Es gibt viel zu tun

Auch im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit sind die Ergebnisse ernüchternd. Der Anteil der Armutsgefährdeten lag 2022 bei 16,7 % und damit fünf Prozentpunkte höher als in den 1990er-Jahren. Auch hier konnte die Regierung durch Verbesserungen bei der gesetzlichen Rente Schlimmeres verhindern. Altersarmut bleibe aber ein Risiko, konstatieren die Wissenschaftler.

Der Gender Pay Gap stagniert weiterhin bei 18 % – weit entfernt vom Ziel der Bundesregierung von 10 %.

Ökologische Nachhaltigkeit: Erfolge nur aufgrund der Klimakrise

Bleibt als gute Nachricht: Im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit konnte Deutschland ein wichtiges Ziel erreichen. Zwischen 1990 und 2023 sanken die Treibhausgasemissionen um 46,2 %. Dieser Rückgang sei jedoch eher auf Faktoren wie die Energiekrise als auf erfolgreiche Klimapolitik zurückzuführen, berichten Lindner und Tiefensee.

Der Ausbau erneuerbarer Energien lag im Untersuchungszeitraum bei knapp 20 % des Primärenergieverbrauchs; er blieb hinter den europäischen Zielen zurück. Auch der Versuch, den Primärenergieverbrauch zu verringern, erfüllte die Erwartungen nicht.

Was muss sich ändern?

Die IMK-Experten fordern vom Gesetzgeber, mit Priorität die Schuldenbremse zu überdenken. Sparpolitik könne das BIP-Wachstum verlangsamen, die wirtschaftliche Stabilität gefährden und Investitionen in Bildung sowie Klimaschutz vernachlässigen, so die Einschätzung.

Sie fürchten, dass sich Armut und Ungleichheit verschärfen und die ökologische Nachhaltigkeit weiter verschlechtert. Eine sichere, klimafreundliche Energieversorgung sei entscheidend, um Populismus zu verhindern und geopolitische Risiken wie die Eskalation der USA-China-Spannungen abzufedern, schreiben die Autoren.

Michael van den Heuvel

Quelle: Fabian Lindner, Anita Tiefensee: Nachhaltigkeit der Wirtschaftspolitik in Zeiten der Polykrise, IMK-Study Nr. 94, Juli 2024

 

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