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02. Oktober 2020

Von der Pharmazieschule in die Kreisapotheke: Zwei Pharmazieingenieurinnen erinnern sich

Die frühere Ingenieurschule an der Schönauer Straße heißt heute Ruth-Pfau-Schule (Foto ADEXA/sjo)
An der Ruth-Pfau-Schule werden seit der Wiedervereinigung PTA ausgebildet (Foto ADEXA/sjo)
Eingangsbereich mit Äskulapnatter (Foto: ADEXA/pav)
In diesem Hörsaal wurden viele Jahrgänge an PI und später PTA unterrichtet (Foto ADEXA/pav)
Schulführung auf dem Leipziger Fortbildungstag 2019 (Foto: ADEXA/pav)
Schulführung auf dem Leipziger Fortbildungstag 2019 (Foto: ADEXA/pav)
Schulführung auf dem Leipziger Fortbildungstag 2019 (Foto: ADEXA/pav)
Schulführung auf dem Leipziger Fortbildungstag 2019 (Foto: ADEXA/pav)
Bunte Glasfenster waren Ausbildungsjahrgängen oder Lehrgängen zugeordnet (Foto ADEXA/sjo)
Glasfenster in der früheren Ingenieurschule (Foto ADEXA/sjo)
Glasfenster in der früheren Ingenieurschule (Foto ADEXA/sjo)
Glasfenster in der früheren Ingenieurschule (Foto ADEXA/sjo)
Glasfenster in der früheren Ingenieurschule (Foto ADEXA/sjo)
Glasfenster in der früheren Ingenieurschule (Foto ADEXA/sjo)
Glasfenster in der früheren Ingenieurschule (Foto ADEXA/sjo)
Paracelsus-Glasfenster in der früheren Ingenieurschule (Foto ADEXA/sjo)
Christoph Wilhelm Hufeland war Arzt und Sozialhygieniker (Foto ADEXA/sjo)
Die Ruth-Pfau-Schule ist seit 2005 Veranstaltungsort für den Leipziger Fortbildungstag (Foto ADEXA/pav)

Noch immer arbeiten mehr als 4.000 Angestellte aus typischen Apothekenberufen der DDR in den öffentlichen und Krankenhausapotheken. Aber jedes Jahr scheiden einige Hundert aus dem Berufsleben aus – um das Jahr 2030 werden die letzten in Rente gehen. Zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung sind hier persönliche Erinnerungen rund um die Ausbildung und die Arbeitsbedingungen von Pharmazieingenieurinnen zusammengefasst:

Annerose Berndt hat ihr PI-Studium 1971 begonnen und war bis zur Rente in Chemnitz tätig. Birgit Engelmann kam 1977 an die Ingenieurschule in Leipzig und arbeitet in einer Leipziger Apotheke. Beide sind langjährig aktive ADEXA-Mitglieder. Birgit Engelmann hat die Leitung der ADEXA-Berufsgruppe Pharmazieingenieure/Apothekerassistent*innen inne.

Zur Ausbildung:

Annerose Berndt: „Meine Eltern hatten eine Drogerie, daher war es für mich schwierig und ich habe mich gar nicht erst für ein Pharmaziestudium beworben.“ Auch Engelmann erinnert sich, dass eine Bekannte trotz guter Noten eine Absage aus Leipzig bekam, weil sie weder in der FDJ noch bei der Jugendweihe war und ihr Vater selbstständig war.

Der Kreisapotheker riet Berndt dann zu einer Ausbildung zur Apothekenfacharbeiterin, um anschließend in Leipzig das neue PI-Studium aufnehmen zu können. „Mit dem Schulabschluss war ich bereits Chemielaborantin und dadurch konnte ich die Facharbeiterausbildung um ein Jahr abkürzen. Der Chef meiner Lehrapotheke hat für mich die Bewerbung nach Leipzig geschrieben. Um angenommen zu werden, musste man auch „gesellschaftliche Betätigung“ vorweisen, in meinem Fall waren das Aktivitäten im Ruderclub.“

Die Studienjahrgänge wurden nach Bezirken in Seminargruppen von 20-30 Studenten aufgeteilt, in Engelmanns Gruppe waren beispielsweise die Bezirke Magdeburg und Cottbus zusammenfasst. Jede Seminargruppe hatte einen Berater. Und auch während der abschließenden Praxisphase in der Apotheke gab es dort einen Mentor als Ansprechpartner.

Berndt erhielt ein Stipendium über 160 Mark, von dem sie das Internat der Pharmazieschule bezahlen musste: „Wir waren zu sechst im Zimmer und hatten Vollverpflegung; Unterbringung und Essen waren sehr günstig.“ Da der einzige Tisch im Zimmer zum Lernen für alle zu klein war, konnte man auf die Seminarräume ausweichen. „Es gab auch ausländische Studenten“, erzählt Berndt, „in meinem Jahrgang einen Studenten aus Kenia und mehrere Vietnamesen.“ Ab 1972 wurde für je zwei Zimmer ein Kühlschrank auf den Flur gestellt und es gab ein Telefon für alle. In einer Gemeinschaftsküche konnten sich die Studierenden auch selbst verpflegen.

Beide PI erinnern sich noch gut an die Pinguin-Milchbar in Leipzig, die von Pharmazeuten häufig frequentiert wurde. Berndt: „Nachdem wir uns im Reisebüro die Fahrkarte für die Heimfahrt am Wochenende gekauft hatten, bestellten wir uns dort jede Woche einen Eisbecher.“
Zur Leipziger Herbstmesse wurde die Pharmazieschule als Messequartier genutzt, erzählt Engelmann. Die Studierenden mussten dann ihre Zimmer räumen und wurden für zwei Wochen zum Ernteeinsatz geschickt.

Berndts Tochter hat 1989 noch in Chemnitz mit der neuen  Ausbildung zur Pharmazeutischen Assistentin angefangen. „Sachsen hat dann aber nach der Wiedervereinigung gleich die PTA-Ausbildungsordnung von Baden-Württemberg übernommen“. Damit war dieser innovative Ausbildungsgang nach kürzester Zeit schon wieder Geschichte.

Zu den Arbeitsbedingungen

Für Apotheken war die Mitarbeiterzahl vorgeschrieben und es bestand die Vorgabe von 8,5 Vollbeschäftigteneinheiten (VBE) pro zehn Beschäftigten. Teilzeitstellen waren also rar. Die Vollzeit betrug anfangs 48 Stunden, wurde aber später reduziert auf zuletzt noch 43,75 Stunden. Müttern wurden allerdings einige Stunden erlassen.

Arzneimittel wurden alle zwei Wochen geliefert. Wegen der großen Gebinde war die Arbeit als PI körperlich schwerer als heute, erinnert sich Engelmann.

Und das Warenlager war viel größer, ergänzt Berndt. Gerade zum Herbst mussten kartonweise Vorräte für die Grippesaison eingelagert werden. Aber es kam nicht alles, was man brauchte. Auch Verbandsstoff oder Zellstoff sowie Sterilmaterial seien oft rar gewesen. Diese Mangelwirtschaft war einer der Gründe, warum Apotheken sehr eng mit den Ärzten zusammenarbeiteten. Einmal pro Monat wurden Infos zu nicht lieferbaren Mitteln ausgetauscht.

Trotzdem: Die Kunden kamen gern in die Apotheken, auch um ihre Sorgen loszuwerden, erinnert sich die Chemnitzer PI. Auch die Atmosphäre im Team ihrer Kreisapotheke sei gut gewesen; es gab Betriebsausflüge und Feiern, aber auch sozialistische Wettbewerbe – und ein Brigadetagebuch wurde geführt.

Familie und Beruf vereinbaren

An der Pharmazieschule in Leipzig gab es viele Jahre lang einen eigenen Betriebskindergarten. Schwieriger war es für Studierende mit Kindern, bevor dieser eingerichtet wurde – oder auch während des praktischen Studienabschnitts. Annerose Berndt wurde im zweiten Studienjahr schwanger. Nach der Geburt ihrer Tochter im Jahr 1973 benötigte sie für das dritte, praktische Studienjahr eine Kinderbetreuung am Ort der Apotheke, an die sie geschickt wurde. Zunächst wurde dort eine sogenannte Wochenkrippe organisiert, wo sie ihre Tochter durchgehend von Montagfrüh bis Freitagabend abgeben musste. „Auf Dauer war das für mich kein erträglicher Zustand“, erinnert sich Berndt, „deshalb haben nach einiger Zeit meine Eltern die Kinderbetreuung übernommen.“ Beim zweiten Kind im Jahr 1975 konnte die PI dann für ein Jahr unter Gehaltsfortzahlung zu Hause bleiben.

Sigrid Joachimsthaler

Literaturtipps:

     

  • 45 Jahre Pharmazie in Deutschland Ost, Eigenverlag der 7b DIREKT Apothekenservice AG 2007, ISBN 9783000187131
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  • Beisswanger et al.: Frauen in der Pharmazie – Geschichte eines Frauenberufs, Deutscher Apotheker Verlag 2001, ISBN 9783769229053
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