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02. August 2019

„Die PTA-Ausbildung ist bereits jetzt zu kurz“: Markus Kuhn von der PTA-Schule Ellwangen im Gespräch

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plant, die PTA-Ausbildung zu modernisieren. Längere Ausbildungszeiten, wie von ADEXA und vom BVpta gefordert, lehnt er ab. Im Interview erläutert der Apotheker Markus Kuhn, warum Novellierungen aus Sicht von Lehrkräften ebenfalls notwendig sind. Er unterrichtet an der PTA-Schule Ellwangen. 

Herr Kuhn, der PTA-Beruf ist mehr als 50 Jahre jung. Wie hat sich das Berufsbild – bezogen auf die öffentlichen Apotheken – verändert?

Das Berufsbild der PTA sowie das Erscheinungsbild der öffentlichen Apotheken hat sich in den letzten fünfzig Jahre deutlich gewandelt: Die pharmazeutische Tätigkeit der Abgabe von Fertigarzneimitteln und Medizinprodukten zusammen mit einer umfangreichen Information und Beratung stehen eindeutig im Vordergrund. Nach wie vor müssen aber auch Ausgangsstoffe geprüft und Arzneimittel individuell angefertigt werden. Diese Tätigkeiten sind untrennbar mit dem Beruf des/der PTA verbunden.

Warum muss aus Ihrer Sicht die PTA-Fachausbildung auf drei Jahre verlängert werden?

Die PTA-Ausbildung ist bereits jetzt zu kurz, um eine solide Ausbildung in allen pharmazeutischen Tätigkeiten zu gewährleisten. Eigentlich stehen uns ja nicht einmal zwei ganze Jahre zur Verfügung, da die zehn Prüfungen des ersten Ausbildungsabschnitts ungefähr zwei Monate vor Ausbildungsende beginnen.

Tatsächlich weisen die Kenntnisse vieler unserer Bewerber in Chemie und Mathematik erhebliche Lücken auf. Es geht um Grundfertigkeiten wie das Rechnen mit Verhältnissen, also der Dreisatzrechnung, oder dem Prozentrechnen. Um diese Lücken zu schließen, benötigen wir Zeit, die natürlich an anderer Stelle fehlt. Diese Situation hat sich in den letzten Jahren deutlich verschärft. Das liegt auch daran, dass viele geeignete junge Menschen, die vor Jahren die PTA-Ausbildung noch als zu zukunftsweisend empfunden hätten, sich heute in attraktiveren Ausbildungsgängen wie dem allgemeinbildenden oder beruflichen Gymnasium befinden.

Außerdem sind neue Inhalte hinzugekommen, auf die wir in der Ausbildung nicht verzichten wollen. Da wären die immer komplizierter werdenden Regeln bei der Abgabe von Arzneimitteln und Chemikalien, die EDV, das QMS, der Plausibilitäts-Check, um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen.

Alle Berufsausbildungen des Gesundheitswesens wie die der Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Krankenschwestern dauern drei Jahre. Bleibt man bei den zweieinhalb Jahren für PTA, ist das an sich schon eine Abwertung!

Noch ein Blick auf die Inhalte…

Ausbildungsinhalte müssen ständig den Erfordernissen angepasst und von Zeit zu Zeit auch neu gewichtet werden. Man sollte bei einer Ausbildungsverlängerung aber nicht den Fehler machen, die Lehrpläne einfach durch weitere Inhalte aufzublähen. Vielmehr ist es wichtig, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten für die Durchführung der pharmazeutischen Tätigkeiten zu festigen und dem aktuellen Stand anzupassen, damit PTA weiterhin hoch qualifizierte Mitarbeiter/innen im Apothekenteam bleiben.

Warum ist es falsch, bei gleich langer Ausbildungsdauer einfach manche Bereiche zusammenzustreichen?

Ausgangsstoffe prüfen und Arzneimittel herstellen gehört zu den Kernkompetenzen von Pharmazeutisch-technischen Assistenten. Ohne ausreichende mathematisch-naturwissenschaftlich Grundkenntnisse können diese Kompetenzen nicht erlangt werden.

Sollte die Ausbildung nicht novelliert und die Ausbildungsdauer verlängert werden, was wäre dann zu befürchten?

Die PTA-Schulen werden keine geeigneten Bewerber/innen mehr finden und den Apotheken auch kaum noch hoch qualifizierte Mitarbeiter zur Verfügung stellen können. Geeignete Bewerber sind Abiturienten oder gute Realschüler. Warum sollte ein junger Mensch eine Berufsausbildung wählen, die aufgrund der vergleichsweise kurzen Ausbildungsdauer nur unzureichende Kenntnisse vermittelt und dabei geringe Verdienstaussichten und keinerlei Perspektiven eröffnen wird?

Eine echte Perspektive wäre die Möglichkeit, die Befugnisse von Pharmazie-Ingenieuren oder Vorexaminierten zu erlangen, was aber mit einer zu kurzen und damit abgewerteten Ausbildung in unerreichbare Ferne rückt.

Warum blockieren Ihrem Leserbrief in der DAZ 26 vom 27.6.2019 zufolge gerade die privaten PTA-Schulen die Ausbildungsverlängerung?

Viele Schulleitungen und Schulträger insbesondere privater PTA-Schulen befürchten, dass bei einer Ausbildungsverlängerung auf zweieinhalb Schuljahre organisatorische Schwierigkeiten entstehen und die Attraktivität der PTA-Ausbildung sinkt, weil das dann teurer wird. Beides ist falsch!

Die organisatorischen Probleme sind mit ein wenig Kreativität lösbar. Nicht jeder Lehrgang muss im Herbst beginnen. Man kann auch im Frühjahr starten, so dass Lehrkräfte lückenlos eingesetzt werden können. PTA-Schulen, die sich in größeren Schulzentren befinden, haben noch weitere Möglichkeiten Lehrkräfte durchgehend zu beschäftigen. Viele duale Ausbildungen, z. B. Mechatroniker, dauern schon lange dreieinhalb Jahre! 

Die Attraktivität sinkt keinesfalls, im Gegenteil! Geeignete, interessierte und engagierte Bewerber/innen lassen sich durch eine Anpassung der Ausbildungsdauer an das allgemein übliche Maß nicht abschrecken. Viele Umfragen bei PTA-Schüler/innen zeigen, dass sie sich zur Entzerrung der Ausbildung eine Verlängerung wünschen. Im Übrigen sind auch jetzt schon viele private PTA-Schulen aufgrund staatlicher Förderung in der Lage, die Ausbildung ohne Schulgeld anzubieten. Und dass wird jetzt mit dem Ansatz des Gesundheitsministers, Schulgelder generell abzuschaffen, ja noch einfacher. Es bleibt das halbe Jahr mehr, in dem die Schüler/innen noch nicht verdienen. Doch dann geht auch die BAföG-Förderung länger.

Herr Kuhn, vielen Dank für das Gespräch!

Fragen: Michael van den Heuvel

 

ADEXA ist bei berufspolitischen Themen im Austausch mit unterschiedlichen Akteuren. Einzelmeinungen spiegeln nicht unbedingt die Strategie der Apothekengewerkschaft wider.

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