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28. Juni 2018

ADEXA-Rechtstipp: Kündigungsschutz bei Schwerbehinderung

Im Bewerbungsgespräch, aber auch beim Abschluss eines Arbeitsvertrags, informieren Angestellte ihren Arbeitgeber oft nicht über die eigene Schwerbehinderung. Welche Rechte haben Mitarbeiter, wenn sie eine Kündigung erhalten?

Bei Arbeitnehmern ist die Angst, aufgrund einer Schwerbehinderung benachteiligt zu werden, weit verbreitet. Aus nachvollziehbaren Gründen informieren sie ihre Chefin oder ihren Chef nicht. Arbeitgeber versuchen ihrerseits, sich abzusichern. „Viele Arbeitsverträge, die wir bei der Rechtsberatung prüfen, enthalten eine Klausel, nach der Mitarbeiter erklären, es liege keine Schwerbehinderung vor“, sagt Christiane Eymers. Sie ist Rechtsanwältin bei ADEXA. „Es ist nicht zulässig, vor Beginn des Arbeitsverhältnisses überhaupt danach zu fragen.“ Wer an dieser Stelle unehrlich ist, hat – anders als bei einigen sonstigen Falschangaben – nichts zu befürchten. Anders ist es nur dann, wenn die Ausübung der Tätigkeit durch die Schwerbehinderung beeinträchtigt ist.

Sonderrechte von Menschen mit Behinderung

Dass sich Arbeitgeber mit der Thematik befassen, hat seine Gründe. Laut § 168 SGB IX genießen Angestellte mit 50 oder mehr Prozent Schwerbehinderung einen besonderen Kündigungsschutz. Das gilt auch für Kolleginnen oder Kollegen mit mindestens 30 Prozent, wenn sie von der Agentur für Arbeit gleichgestellt wurden (§ 2 Abs. 3 SGB IX). Auf ihr Verlangen hin sind Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Mitarbeiter von Mehrarbeit freizustellen (§ 207 SGB IX). Außerdem haben sie einen Zusatzurlaub von einer Woche im Jahr (§ 208 SGB IX).

Die Behörde stellt bei Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30 Prozent die Gleichstellung fest, wenn Arbeitnehmer ansonsten keine Möglichkeit hätten, Jobs zu bekommen oder zu behalten. „Eine generelle Vorlage des Bescheides beim Arbeitgeber ist nicht notwendig“, ergänzt Eymers. Wenn die zusätzlichen Rechte in Anspruch genommen werden sollen, muss der Mitarbeiter den Arbeitgeber natürlich informieren. Wichtig sei jedoch, die Schwerbehinderung nicht erst im Falle einer Kündigung feststellen zu lassen. Der besondere Kündigungsschutz greift nur dann, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwerbehinderung nachgewiesen ist (§ 173 SGB IX) oder zumindest drei Wochen zuvor der Antrag auf Anerkennung oder Gleichstellung gestellt wurde. Ansonsten besteht der Schutz nur dann, wenn die Schwerbehinderung offensichtlich ist.

Der Kündigungsschutz gilt auch für Kleinbetriebe, betrifft also auch öffentliche Apotheken mit weniger als 10 Mitarbeitern, die nicht unter die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes fallen.  Er ist für alle Formen der Kündigung zu beachten: fristgemäße Kündigungen aus betriebs-, verhaltens- oder personenbedingten Gründen, außerordentliche Kündigungen oder Änderungskündigungen.

Den Arbeitgeber umgehend informieren

Erhält ein schwerbehinderter Mitarbeiter, der seine Vorgesetzten nicht informiert hat, das Kündigungsschreiben, sollte er keine Zeit verlieren. Eymers: „In diesem Fall müssen Sie Ihren Arbeitgeber nachträglich informieren.“ Dabei ist die 3-Wochen-Frist aus § 4 KSchG einzuhalten. Der Mitarbeiter kann innerhalb dieser Frist Kündigungsschutzklage einreichen und sich dabei auf die Schwerbehinderung berufen oder innerhalb dieser Frist den Arbeitgeber direkt informieren. Das kann formlos geschehen, sollte aber gut dokumentiert sein. Und es muss zusätzlich auch fristgerecht Klage erhoben werden.

Und wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung weiß?

Vor Ausspruch einer Kündigung muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Im nächsten Schritt hört das Integrationsamt die betroffenen Kolleginnen oder Kollegen an (§ 168 SGB IX). Es kann einer Kündigung zustimmen oder diese ablehnen. Wenn die Zustimmung erteilt wird, hat der Chef einen Monat Zeit, die Kündigung auszusprechen. Ob diese wirksam ist, ist aber mit der Zustimmung noch nicht entschieden. „Wenn Arbeitnehmer hiergegen vorgehen wollen, müssen sie zweigleisig fahren und sowohl Widerspruch gegen die Zustimmung einlegen als auch Kündigungsschutzklage einreichen. Es ist auf jeden Fall zu empfehlen, sich anwaltlich beraten zu lassen“, rät Eymers.

Michael van den Heuvel

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