10. Januar 2025
Fragmentierte Arbeitszeiten: Fluch oder Segen? Studie zeigt Belastung durch flexible Arbeitszeit-Modelle
Die Arbeitszeitfragmentierung bietet zwar Flexibilität, erhöht aber oft den Zeitdruck, verkürzt Erholungsphasen und führt besonders bei Frauen zu einer schlechteren Work-Life-Balance. Flexibilität allein macht den Job nicht familienfreundlich.
Öffentliche Apotheken bieten nahezu jedes denkbare Modell an, von stundenweisen oder tageweisen Tätigkeiten bis hin zur Arbeit in Vollzeit. Fachkräfte sind rar – und deshalb bieten Apothekenleitungen auch fragmentierte Arbeitszeitmodelle an: beispielsweise ein paar Stunden am Vormittag und dann wieder am späten Nachmittag, wenn die Kinder betreut sind.
Yvonne Lott und Nils Backhaus von der Hans-Böckler-Stiftung haben jetzt Auswirkungen fragmentierter Arbeitszeiten untersucht. Grundlage ihrer Studie sind Daten einer repräsentativen Befragung durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in den Jahren 2019 und 2021. Dazu gehörten Fragen zur Arbeitszeit, zum Job und zur Familie.
Mehr Zeitdruck, mehr Leistungsdruck
Die Studie zeigt, dass fragmentierte Arbeitszeiten eng mit mehr Zeit- und Leistungsdruck zusammenhängen. Der geteilte Arbeitstag mit häufigem Rollenwechsel erhöht den Stresslevel. Unter Rollen sind in der Studie die berufliche Tätigkeit, die Betreuung der Familie bzw. die Pflege von Angehörigen zu verstehen.
Mütter arbeiten – anders als Männer oder kinderlose Frauen – trotz fragmentierter Arbeitszeit-Modelle nicht mehr Stunden in ihrem Beruf, weil die Sorgearbeit zu Hause kaum zusätzlichen Spielraum lässt. Oft ergibt sich durch die Fragmentierung eine gesundheitliche problematische Belastung, weil Ruhepausen fehlen. Dies habe „massive Auswirkungen auf die Erholung, den Schlaf, die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, das Unfallgeschehen, aber auch auf Gesundheit und Wohlbefinden“, schreiben Lott und Backhaus.
Mehr Druck für Arbeitnehmerinnen
Frauen sind von den Folgen fragmentierter Arbeitszeiten besonders betroffen. Sie empfinden stärkeren Zeit- und Leistungsdruck, weil sie sich in Teilzeitarbeit womöglich stärker beweisen müssen, ein hohes Arbeitspensum in kurzer Zeit haben oder in einem traditionellen Arbeitsumfeld unter besonderem Druck stehen. Auch die Doppelbelastung durch berufliche und unbezahlte Sorgearbeit spielt eine Rolle. Frauen mit fragmentierten Arbeitszeiten berichten, dass sie durch die Unterbrechung nicht entlastet werden, sondern unbezahlt weiterarbeiten – beispielsweise durch Kinderbetreuung oder Hausarbeit.
Von wegen familienfreundlich
Lott und Nils erklären, dass fragmentierte Arbeitszeiten oft als familienfreundlich dargestellt würden, die Ergebnisse der Studie jedoch das Gegenteil zeigten. Frauen mit solchen Arbeitszeiten sind nicht zufriedener als andere, sondern berichten häufiger über eine schlechte Work-Life-Balance.
Es sei „illusorisch, zu glauben, eine weitere Aufweichung von Arbeitszeitgrenzen würde Deutschland zu einem familienfreundlicheren und wirtschaftlich erfolgreicheren Land machen“, kommentiert die WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch. „Gerade, wenn die Erwerbsarbeit unterbrochen wird, um Sorgearbeit zu verrichten, machen die Beschäftigten keine Pause, sondern arbeiten – wenn auch unbezahlt – weiter.
Kohlrausch rät nicht nur zu verbindlichen Obergrenzen für einzelne Arbeitstage und zu klaren Regelungen für Ruhezeiten im Erwerbsjob. Wichtig sei auch eine funktionierende soziale Infrastruktur, beispielsweise durch eine verlässliche öffentliche Kinderbetreuung.
Michael van den Heuvel
Quelle
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