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05. Juni 2016

Arbeitsplatzqualität und Erwerbstätigkeit von Müttern: Gute Arbeit fördert Rückkehr ins Berufsleben

Mütter kleiner Kinder arbeiten im Schnitt häufiger in Beschäftigungsverhältnissen mit höherer Arbeitsplatzqualität als Frauen ohne Kinder. Dabei wurden die drei Dimensionen Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitszeitqualität und Qualität der ausgeübten Tätigkeit betrachtet. Eine Deregulierung des europäischen Arbeitsmarktes gefährdet sowohl die Geburtenraten als auch den Wiedereinstieg von Müttern, sagen die Forscherinnen.

Gute Arbeitsbedingungen fördern die Gesundheit, das Wohlbefinden und die soziale Integration der Arbeitnehmer. Aber hat die „Job Quality“ auch einen Einfluss auf die weibliche Arbeitsmarktbeteiligung und die Beschäftigungsquote von Müttern? Und gibt es dabei Unterschiede innerhalb der EU? Diesen beiden Fragen sind Agnieszka Piasna vom European Trade Union Institute (ETUI) in Brüssel und Anke C. Plagnol von der City University London nachgegangen. Dazu haben sie Daten von über 12.000 berufstätigen Frauen im Alter von 20 bis 49 Jahren aus 27 EU-Mitgliedsländern auf Basis des European Working Conditions Survey (EWCS) ausgewertet.

Verglichen wurden vier Gruppen von weiblichen Beschäftigten: Frauen ohne Kinder, Frauen in Paarhaushalten mit Kleinkindern bis fünf Jahre, Frauen aus Haushalten, wo das jüngste Kind mindestens sechs Jahr ist, sowie alleinerziehende Mütter.

Die Arbeitsplatzqualität wurde anhand von drei Dimensionen bewertet:

1.     Arbeitsplatzsicherheit: z. B. Befristung, Gefahr des Arbeitsplatzverlusts

2.     Arbeitszeitqualität: unsoziale Arbeitszeiten, wechselnde Zeiten, kurzfristige Flexibilität, Vorgabe durch Arbeitgeber oder eigener Planungsspielraum

3.     Intrinsische Qualität:

3.1 Qualifikation und Entscheidungsspielräume

3.2 soziales Umfeld,

3.3 physisches Arbeitsumfeld wie Lärm, Dämpfe, Steharbeit …

3.4 Arbeitsbelastung: Zeitdruck, Anforderungen und Leistungsziele, emotionale Faktoren, Beschwerden von Kunden …

Ergebnisse im Überblick

Im Schnitt gehen berufstätige Mütter von Kindern im Alter von null bis fünf Jahren, die in einer Paarbeziehung leben, einer qualitativ höherwertigen Erwerbstätigkeit nach als Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder. Sie sind seltener befristet beschäftigt und schätzen die zeitliche Qualität ihrer Arbeit höher ein. Außerdem beurteilen sie auch die intrinsische Qualität ihrer Arbeit am besten von allen vier untersuchten Gruppen.

Alleinerziehende Mütter schneiden dagegen in allen drei Kategorien schlechter ab als Mütter mit Kleinkindern oder größeren Kindern in Paarbeziehungen.

Im Vergleich der 27 EU-Länder haben die Forscherinnen zu der oben genannten Frage – entgegen ihren Erwartungen – kaum signifikante Unterschiede festgestellt: Überall sind Mütter kleiner Kinder an sichereren Arbeitsplätzen mit höherer zeitlicher und intrinsischer Qualität beschäftigt.

Woran liegt’s?

Als eine plausible Erklärungsmöglichkeit nennen Piasna und Plagnol, dass Arbeitnehmerinnen in qualitativ schlechteren Arbeitsplätzen ihre Familienplanung den Umständen anpassen und später oder gar keine Kinder bekommen – zumal solche Stellen auch meist niedriger bezahlt sind.  Dies beeinflusst natürlich auch die europaweit ohnehin niedrigen Geburtenraten.

Auch der Wiedereinstieg in den Beruf ist bei einem qualitativ schlechteren Arbeitsplatz unattraktiver oder sogar unmöglich. Der Anteil an Müttern, die wieder zurückkehren, ist daher auch relativ niedrig.

In allen untersuchten Ländern ist die Beschäftigungsquote in der Gruppe der 20- bis 49-Jährigen bei den Müttern mit Kleinkindern niedriger als bei kinderlosen Frauen. Bei den Vätern ist sie dagegen höher als bei männlichen Arbeitnehmern ohne Kinder. 

Aus den Ergebnissen lassen sich zwei Thesen herleiten:

  • Höhere Arbeitsplatzqualität steigert die Wahrscheinlichkeit der Familiengründung.
  • Je höher die Arbeitsplatzqualität, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Mütter nach der Babypause in ihren Job bzw. in den Arbeitsmarkt zurückkehren.

Die Autorinnen warnen deshalb: Die Tendenzen in der EU, der Wirtschaftskrise durch Deregulierungsmaßnahmen, Flexibilisierung und Aushöhlung von Tarifsystemen zu begegnen, wirken sich aufgrund des dadurch ausgelösten Anstiegs atypischer Beschäftigungsverhältnisse negativ auf Geburtenraten und Rückkehrquoten aus. Bemühungen, etwa durch bessere Kinderbetreuungsangebote die Berufstätigkeit von Frauen zu fördern, würden so konterkariert.

Positiv ausgedrückt liege dagegen in einer hohen Arbeitsplatzqualität „ein Schlüssel zur Erhöhung der Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen als auch zu einer Steigerung der Geburtenraten“, so Piasna und Plagnol.

Ein Blick auf die Apotheke

Was heißt das für die deutschen Apotheken? „Im Wettbewerb um Fachpersonal hat es jeder Apothekeninhaber ein Stück selbst in der Hand: Auch hier entscheidet neben den Gehältern die Arbeitsplatzqualität, ob Mitarbeiterinnen nach der Geburt ihrer Kinder überhaupt und nach nicht allzu langer Pause wieder einsteigen. Hier sind zum Beispiel in puncto Kinderbetreuung innovative Ideen gefragt“, sagt die ADEXA-Vorsitzende Barbara Stücken-Neusetzer. Der beschriebene Effekt ist für die öffentlichen Apotheken umso wichtiger, da der Anteil der Frauen in den Teams so hoch ist. Zumal in Deutschland mit dem Ehegattensplitting noch ein weiterer Effekt dazukommt, der gerade Frauen mit niedrigeren Gehältern vom Arbeiten abhält. Stücken-Neusetzer: „Wer als Arbeitgeber in sein Team investiert, hat dann gegenüber der Konkurrenz  die Nase vorn.“

Apothekenangestellte, die unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden (und dadurch eventuell sogar auf einen Kinderwunsch verzichten), sei dagegen der Wechsel in eine andere Apotheke geraten. Bei der aktuellen hohen Nachfrage am Stellenmarkt ist das meist nicht schwer – und macht auch mit Blick auf die Höhe des späteren Elterngeldes Sinn.

Dr. Sigrid Joachimsthaler

Quelle: Agnieszka Piasna, Anke C. Plagnol, Arbeitsplatzqualität und weibliche Erwerbsbeteiligung in Europa; in WSI-Mitteilungen Ausgabe 04/2016

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