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15. Februar 2024

Kündigung plus Krankschreibung - Aus der ADEXA-Rechtsberatung

Immer wieder gibt es in letzter Zeit Auseinandersetzungen, wenn eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zeitlich mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU bzw. eAU) zusammentrifft.

Sowohl in Fällen, in denen der oder die Mitarbeitende kündigt, als auch in den Fällen, in denen die Apothekenleitung eine Kündigung ausspricht, stellen manche Arbeitgebende die Gehaltszahlungen ein. Begründet wird dies damit, dass eine „Krankschreibung“ im zeitlichen Zusammenhang mit einer Kündigung „unwirksam“ sei.

Hier sind etwas mehr Informationen nötig, um Licht ins Dunkel zu bringen. Die Grundlage für Ansprüche von Mitarbeitenden auf Fortzahlung des Gehalts im Fall einer Erkrankung sind in den §§ 3-5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geregelt. Danach haben Arbeitnehmende, deren Arbeitsverhältnis schon länger als vier Wochen besteht, einen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung, wenn sie wegen einer Erkrankung arbeitsunfähig sind. Das ist eine gesetzliche Abweichung von der Regel „Keine Arbeit, kein Lohn“, die besagt, dass Arbeitsleistung und Gehalt im Austausch miteinander stehen.

Damit diese Ausnahme greifen kann, müssen Mitarbeitende das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit durch ein ärztliches Attest nachweisen. Nach der gesetzlichen Regelung muss dieser Nachweis erbracht werden, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauert. In einigen Arbeitsverträgen sind kürzere Fristen vereinbart.

Wie hoch ist der Beweiswert ärztlicher Atteste?

Der ärztlichen Bescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu. Wenn ein solches Attest vorliegt, ist davon auszugehen, dass die oder der betroffene Mitarbeitende tatsächlich nicht arbeitsfähig ist. Wenn eine Apothekenleitung im laufenden Arbeitsverhältnis Zweifel hat, dass die oder der Angestellte tatsächlich krank ist, kann die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse beantragt werden. Dort wird dann eine Begutachtung vorgenommen und die Arbeitsunfähigkeit überprüft. So etwas kommt manchmal vor, wenn die Chefin oder der Chef eine Mitarbeiterin, die sich krankgemeldet hat, in geselliger Runde beim Restaurant- oder Kinobesuch antrifft.

Bei Arbeitsunfähigkeiten im Zusammenhang mit einer Kündigung haben Arbeitsgerichte den Beweiswert des ärztlichen Attests als erschüttert angesehen, wenn Kündigung und Krankmeldung praktisch gleichzeitig übergeben werden. Hintergrund war ein Fall, den das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2021 zu entscheiden hatte. Dort hatte eine Angestellte ein Kündigungsschreiben übergeben und gleichzeitig eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom gleichen Tag, die genau bis zum Ende der Kündigungsfrist reichte. Der beklagte Arbeitgeber hatte daraufhin das Gehalt für den Zeitraum des Attests nicht gezahlt. Mit der Klage, der die ersten beiden Instanzen stattgegeben hatten, machte die Klägerin ihre Gehaltsansprüche geltend. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied dann zu Gunsten des Arbeitgebers: Dadurch, dass AU und Kündigung gleichzeitig erfolgten und das Attest den gesamten Zeitraum umfasste, sei der Beweiswert erschüttert gewesen. Die Klägerin hätte die bestehende Arbeitsunfähigkeit auf anderem Weg beweisen müssen, zum Beispiel, indem sie den behandelnden Arzt von seiner Schweigepflicht entbunden hätte. Das hatte sie jedoch trotz entsprechender Hinweise nicht getan.

Aus diesem Urteil kann allerdings nicht – so wie manche Arbeitgebende es versuchen – gefolgert werden, dass in jedem Fall, in dem Kündigung und AU gleichzeitig erfolgen, der Beweiswert des Attests erschüttert ist und die Pflicht zur Gehaltsfortzahlung entfällt.

Aktuelles BAG-Urteil

In einem aktuellen Urteil aus dem Dezember 2023 hatte das BAG über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Arbeitgeber, nachdem der Mitarbeiter eine AU vorgelegt hatte, die Kündigung ausgesprochen hatte. Zwei weitere Atteste reichten dann genau bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Am Tag darauf war der Kläger wieder arbeitsfähig und startete in einer neuen Beschäftigung. Der Arbeitgeber zweifelte die Arbeitsunfähigkeit an und zahlte für die Zeit ab der ersten AU kein Gehalt. Das BAG sah den Beweiswert für die erste Bescheinigung, die ja noch vor Ausspruch der Kündigung erfolgte, als gegeben an. Für die beiden folgenden Atteste war der Beweiswert aber erschüttert; hier hätte der Mitarbeiter einfach mehr zur Art der Erkrankung vortragen müssen oder den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbinden müssen, um den Beweiswert wieder herzustellen.

Fazit

Bei einer Arbeitsunfähigkeit im Zusammenhang mit einer Kündigung sollten Arbeitgebende nicht reflexartig von einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit ausgehen. Nach dem, was uns in der Rechtsberatung berichtet wird, ist das Arbeitsklima im Kleinbetrieb Apotheke teilweise so vergiftet, dass Angestellte tatsächlich nicht nur psychisch, sondern auch physisch leiden.

Wird der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung infrage gestellt, sollten Mitarbeitende hierauf reagieren und weitere Beweismittel anbieten, um die Gehaltsansprüche nicht zu gefährden. Noch besser wäre es im Interesse beider Seiten, einen wertschätzenden Umgang zu pflegen und auch bis zum Ende eines manchmal langjährigen Arbeitsverhältnisses durchzuhalten.

Rechtsanwältin Minou Hansen
Leiterin der ADEXA-Rechtsabteilung

 

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