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17. April 2016

Was hilft gegen die Altersarmut? Renten in der Diskussion

Eigentlich ist nur eins sicher: So weitergehen kann es mit dem derzeitigen System aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Rentenversicherung nicht. Denn in Deutschland wächst eine so massive Altersarmut heran, dass es den Zusammenhalt der Gesellschaft wie die Sozialkassen sprengen könnte. Aber was tun? Renten werden gerade zum Wahlkampfthema. Die Lösungsvorschläge sind jedoch umstritten.

Zahlen der OECD von 2015 zeigen: Im europäischen Vergleich schneiden die Deutschen in puncto Rente mehr als schwach ab. Während niederländische und österreichische Rentner sich über 90 Prozent ihres früheren Nettoeinkommens freuen können, liegt das deutsche Rentenniveau mit 50 Prozent noch weit unter dem OECD-Schnitt von 63 Prozent.

Neurentner bekommen hierzulande sogar nicht einmal 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes. Und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht: Bis 2030 soll das Niveau der gesetzlichen Rente auf 43 Prozent sinken. Dann wird jeder zweite Rentner mit seinen Altersbezügen unter dem Existenzminimum liegen, so Berechnungen des WDR.

Selbst wer 45 Jahre lang mit 11,50 Euro und 38,5 Wochenstunden deutlich über dem aktuellen Mindestlohnniveau verdient, kommt nicht über 788 Euro Rente hinaus, was dem Grundeinkommen entspricht. Das hat der Linken-Abgeordnete Matthias Birkwald ausrechnen lassen.

Keine der drei Säulen trägt richtig

Aber nicht nur die erste Säule im Drei-Säulen-Modell der Altersvorsorge ist nicht tragfähig: Auch die betriebliche Altersvorsorge (bAV) und die private Absicherung können einer Verarmung weiter Bevölkerungskreise nicht vorbeugen. Das liegt zum einen an den niedrigen Zinsen, die die Rendite in beiden Bereichen schmelzen lässt, und an teuren Vorsorge-Produkten, die nur die Gewinne der Anbieter im Fokus haben. Das liegt aber auch daran, dass viele kleinere Betriebe keine bAV anbieten.  Und diejenigen Arbeitnehmer, die es besonders nötig hätten, können sich die Vorsorge nicht leisten. Für die private Absicherung gilt ähnliches. Hinzu kommt, dass die zweite und dritte Säule freiwillig sind, obwohl der Staat eine Vorsorge über die gesetzliche Rente hinaus fest eingeplant hat.

Kein Wunder, dass jetzt im Jahr vor den nächsten Bundestagswahlen aus den Parteien sowohl Wehgeschrei als auch diverse Vorschläge zu hören sind: Deutschlandfonds, Lebensleistungsrente, Einzahlung auch von Selbstständigen und Beamten …

Klar ist, dass die Riesterrente in ihrer jetzigen Form nicht verhindern wird, dass gerade Geringverdiener, Alleinerziehende und Langzeitarbeitslose im Rentenalter auf staatliche Unterstützung angewiesen sein werden. Doch die vorgeschlagene Alternative, ein staatlich aufgelegter Deutschlandfonds mit niedrigen Gebühren, müsste sich gegen massive Widerstände der privaten Versicherungswirtschaft durchsetzen. Hier ist Skepsis angesagt.

In der betrieblichen Altersvorsorge werden Tarifpartner aller Branchen neue Wege beschreiten müssen, wenn diese Säule gestärkt werden soll. Übrigens: Im neuen Tarifvertrag für die medizinischen Fachangestellten wurde der monatliche Arbeitgeberbeitrag für Vollzeit und Teilzeit bis mindestens 18 Wochenstunden auf jetzt 76 Euro erhöht. Bei weniger als 18 Stunden gibt es 43 Euro und für Azubis 53 Euro im Monat. Auch im Apothekenbereich ist es höchste Zeit, hier nachzujustieren! Und auch der Gesetzgeber wird die Rahmenbedingungen anpassen müssen. Dazu gehört eine Verpflichtung für beide Seiten, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, sich an der bAV zu beteiligen.

Und über kurz oder lang wird man wohl auch dazu kommen müssen, die Versicherungspflicht der gesetzlichen Rentenversicherung auf alle Gruppen von Beschäftigten auszudehnen – also auch auf Selbstständige, Freiberufler und Beamte.

Eine weitere Renten-Baustelle: die von der Großen Koalition bis 2020 geplante Angleichung der Renten in Ost und West. Auch hier zeichnen sich bereits Verteilungskämpfe zwischen Rentnern und Arbeitnehmern ab.

Dr. Sigrid Joachimsthaler

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