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19. März 2017

Kopftuchverbot: Juristische Einschätzung von ADEXA

In dieser Woche hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in zwei Verfahren darüber zu entscheiden, ob das Tragen eines Kopftuchs am Arbeitsplatz aus religiösen Gründen eine Kündigung rechtfertigen kann. Es handelt sich um unterschiedlich gelagerte Einzelfälle.

In dem einen Verfahren ging es um eine französische Softwaredesignerin, deren Arbeitsverhältnis gekündigt wurde, weil ein Kunde sich darüber beschwert hatte, dass sie in dessen Unternehmen ein islamisches Kopftuch getragen hatte. Ihr Arbeitgeber forderte sie daraufhin auf, das Kopftuch bei Besuchen dieses Kunden nicht zu tragen. Da sich die Mitarbeiterin weigerte, wurde ihr Arbeitsverhältnis gekündigt.

Zählt nur der Kundenwunsch?

Die Mitarbeiterin hielt dies für diskriminierend und klagte. Das französische Kassationsgericht legte dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob der Kundenwunsch, informationstechnische Leistungen nicht mehr von einer Projektingenieurin mit Kopftuch ausführen zu lassen, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstelle. Hierzu entschied der EuGH, dass es sich um eine subjektive Erwägung handelt, die nichts mit der zu erbringenden Leistung, der Softwareentwicklung bzw. -installation zu tun hat. Das Kopftuchverbot sei deshalb keine entscheidende berufliche Anforderung.

In dem zweiten zu entscheidenden Fall befassten sich Richter mit der Angestellten eines belgischen Unternehmens, das für Kunden Rezeptions- und Empfangsdienste erbringt. Als die Mitarbeiterin sich entschied, am Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen, wurde unter anderem eine Arbeitsanordnung erlassen, die allen Mitarbeitern das Tragen jeglicher Symbole untersagte, da dies der vom Unternehmen angestrebten Neutralität widerspreche. Da sich die Mitarbeiterin nicht an diese Regelung hielt, wurde sie entlassen.

Gleiches Recht für alle

Im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung legte das belgische Kassationsgericht dem EuGH die Frage vor, ob das Kopftuchverbot eine unmittelbare Diskriminierung sei, wenn es allen Mitarbeitern eines Unternehmens verboten ist, religiöse, philosophische oder politische Symbole zu tragen. Hier entschied der EuGH, dass das generelle Verbot für sich genommen keine unmittelbare Diskriminierung darstelle und verwies die Sache wieder zur Entscheidung an das zuständige Gericht zurück. Gleichzeitig wiesen die EuGH-Richter darauf hin, dass es sich im Rahmen der Beweiswürdigung durchaus ergeben könne, dass die Regelung im Unternehmen doch eine Ungleichbehandlung darstellen könne. Es wird geprüft werden müssen, ob das Unternehmen seine Neutralität tatsächlich auch lebt oder ob dies nur vorgeschoben ist. Außerdem hätte man der Mitarbeiterin unter Umständen einen Arbeitsplatz ohne Kundenkontakt anbieten müssen.

Der EuGH hatte letzten Endes Entscheidungen zu Rechtsfragen zu treffen, die sich im Ergebnis nicht widersprechen. Die unternehmerische Freiheit, sich für Neutralität zu entscheiden, wird bestätigt. Allerdings darf die unternehmerische Freiheit nicht dazu genutzt werden, Mitarbeiter aufgrund ihrer Religion zu diskriminieren.

Im Apothekenbereich scheint es zu dieser Frage bislang wenig Streit zu geben.

Quelle: EuGH 14.3.2017 C-157/15 und C-188/15

Minou Hansen
Leitung Rechtsabteilung
ADEXA – Die Apothekengewerkschaft

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