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16. November 2018

Neues Urteil zur Urlaubsübertragung: Europäischer Gerichtshof stärkt Rechte von Beschäftigten

Bislang galt für Apothekenangestellte im Normalfall, ihren Urlaub bis Jahresende zu beantragen, um keine Ansprüche zu verlieren. Der Europäische Gerichtshof kassiert diese pauschale Rechtsnorm jetzt in Teilen ein. Da Arbeitnehmer in der schwächeren Position seien, müsse der Arbeitgeber sie auf ihre Möglichkeiten, Urlaub zu nehmen, hinweisen. 

Nach deutschem Recht erlischt der Urlaubsanspruch am Ende eines Arbeitsjahres, wenn Arbeitnehmer zuvor keinen Urlaubsantrag gestellt haben. Eine Übertragung auf die ersten drei Monate des nächsten Jahres ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen, so das Bundesurlaubsgesetz. Für die höheren tariflichen Urlaubsansprüche nach § 11 Bundesrahmentarifvertrag gelten ähnliche Regeln. Darüber hinausgehende individuelle Vereinbarungen sind möglich, sollten aber schriftlich festgehalten werden.

ADEXA-Juristin Minou Hansen rät: „Urlaubsanträge sollten immer schriftlich gestellt werden – gerade wenn es um die Übertragung auf das nächste Kalenderjahr geht, weil man krank war oder weil aus betrieblichen Gründen eine Urlaubssperre verhängt wurde. Im Streitfall kann man seine Ansprüche dann leichter nachweisen.“

Arbeitgeber künftig in der Beweispflicht

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jetzt dem verbreiteten Verlust von Urlaubsansprüchen einen weiteren Riegel vorgeschoben. In zwei Urteilen gingen die Richter der Frage nach, was passiert, wenn Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt haben (Az. C-619/16 und C-684/16). Konkret ging es um einen Rechtsreferendar beim Land Berlin und einen Angestellten der Max-Planck-Gesellschaft. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg und das Bundesarbeitsgericht wollten vom EuGH wissen, wie in beiden Präzedenzfällen zu verfahren sei. Im Urteil stellte der EuGH klar, dass es laut Unionsrecht nicht zulässig sei, den gesetzlich vorgeschriebenen Mindesturlaub allein aufgrund eines unterlassenen Urlaubsantrags zu verlieren. Angestellte seien nämlich als „schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses“ anzusehen. Sie könnten „davon abgeschreckt werden, ihre Rechte gegenüber dem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen“, da sie Nachteile bei einem laufenden Arbeitsverhältnis befürchten könnten. Im Klartext heißt das: Urlaub ist ein emotionales Thema, vor allem in Kleinbetrieben. Nicht alle Chefs sehen es gerne, wenn ihre Angestellten in die wohlverdiente Auszeit entschwinden.

Der EuGH fordert von Arbeitgebern, ihrer Fürsorgepflicht auch bei Urlaubsansprüchen nachzukommen. Sie werden verpflichtet, Angestellte zu informieren, so dass sie ihre freien Tage tatsächlich auch nehmen. Das ist dem Urteil zufolge vom Arbeitgeber zu beweisen, sprich zu dokumentieren. Entscheiden sich Kolleginnen oder Kollegen dann immer noch gegen ihren Urlaub, erlischt ihr Anspruch am Jahresende unwiederbringlich. Ob es sich um öffentliche oder private Arbeitgeber handelt, ist egal. Auch die Betriebsgröße spielt keine Rolle.

Urlaubsansprüche sind vererbbar

In einem weiteren Urteil stellten die Richter am EuGH fest, dass Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers vom ehemaligen Arbeitgeber eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Jahresurlaub verlangen können. Solche Ansprüche würden im Zuge der Erbfolge auf Erben übergehen. (Az.: C-569/16 und C-570/16).

Michael van den Heuvel

Quellen: Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilungen Nr. 165/18 und 164/18,

 

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