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22. Februar 2016

Was Arbeitnehmer von ihren Chefs erwarten: Stress lass nach!

Eine als fair empfundene Bezahlung ist Arbeitnehmern wichtig und beugt Stress vor. Das zeigen zwei aktuelle Untersuchungen. Auch Aufstiegsmöglichkeiten und selbstbestimmte zeitliche Flexibilität – zum Beispiel im Rahmen von Arbeitszeitkonten – mindern die gesundheitliche Belastung am Arbeitsplatz.

Elena Shvartsman und Michael Beckmann von der Universität Basel haben untersucht, welche Arbeitsbedingungen den Stresspegel von Arbeitnehmern erhöhen. Dabei haben die Wirtschaftswissenschaftler besonders die Arbeitszeit, etwaige Aufstiegschancen und die Bezahlung im Fokus gehabt.

Besonders groß ist das Risiko von Stress – und den damit verbundenen gesundheitlichen Belastungen –, wenn Arbeitgeber sowohl lange Arbeitszeiten erwarten als auch hohe Flexibilität einfordern. Kann der Arbeitnehmer dagegen weitgehend autonom entscheiden, ob er Überstunden macht und wann er arbeitet, werden selbst lange Arbeitszeiten und Mehrarbeit nicht unbedingt als belastend empfunden.

Tendenz zur Selbstausbeutung

Die durchschnittlich absolvierte Zahl an Überstunden variiert im Übrigen: Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit völlig frei bestimmen können, arbeiten pro Woche rund acht Stunden mehr als vertraglich vereinbart. Gibt es einen Rahmen für die eigene Flexibilität, zum Beispiel ein Arbeitszeitkonto, sind es weniger als vier Stunden pro Woche. Wer festgelegte Arbeitszeiten hat, kommt auf fast die gleiche Summe an wöchentlicher Mehrarbeit. Ein Arbeitszeitkonto scheint also aus Mitarbeitersicht eine gute Lösung zu sein, solange die variablen Zeiten nicht fremdbestimmt werden. Im letzteren Fall arbeiten Angestellte im Schnitt fünf Stunden mehr als ihre Wochenstundenzahl im Arbeitsvertrag.

„Stress muss sich lohnen“

Die Autoren haben außerdem den Einfluss von Beförderungen und Gehältern analysiert. Sind die Aufstiegschancen schlecht, steigt das Stressrisiko. Das trifft auch zu, wenn Arbeitnehmer ihr Gehalt als unangemessen niedrig bewerten. Wer hohen Einsatz zeigt, will also auch eine entsprechende  Anerkennung vom Unternehmen erhalten.

Das Fazit von Shvartsman und Beckmann: „Erstens sollten Arbeitgeber darauf achten, adäquate Gehälter zu zahlen. Zweitens sollten sie Aufstiegschancen ermöglichen. Und schließlich sollten sie Mitarbeitern mehr Kontrolle über ihre Arbeitszeit gewähren, beispielsweise durch Gleitzeit oder selbstbestimmte Arbeitszeit.“

Erfolgreich am Markt

In einer weiteren Studie haben sich Sozialwissenschaftler aus München und von der Universität Göttingen mit der Erwartungshaltung von Arbeitnehmern befasst. Dafür wurden 320 Beschäftigte aus dem Dienstleistungssektor, der Industrie und dem Baugewerbe befragt, und außerdem 70 Vertreter aus Betriebsräten, Gewerkschaften und dem Management interviewt.

Primär waren die Arbeitnehmer an einer „Leistungsgerechtigkeit“ interessiert, was Gehälter, Arbeitsbedingungen und Belastungen betrifft. Außerdem wünschen sich Mitarbeiter Selbstverwirklichung und Beteiligung im eigenen betrieblichen Umfeld.

Als ungerecht empfinden Arbeitnehmer prekäre Beschäftigungsverhältnisse, aber auch Diskriminierung, Beleidigung und Sexismus.

Gerechtigkeit ist jedoch nicht alles; es geht auch um die unternehmerische Performance auf dem Markt. „Die Beschäftigten wollen einen gut funktionierenden, erfolgreichen Betrieb“, stellen die Autoren klar. Dabei legen Arbeitnehmer Wert auf kompetente Führungskräfte, transparente Unternehmensregeln sowie die effiziente Nutzung von Ressourcen.

Mega-Thema Wertschätzung

Neben solchen eher allgemeinen Erwartungen haben die Forscher auch danach gefragt, welche konkreten Themen Mitarbeiter besonders beschäftigen. So macht sich der generelle Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung besonders bei den Dienstleistungsberufen im Sozialbereich fest. Hier wird die Bezahlung von den Befragten als unzureichend bewertet.

Außerdem fühlen sich Arbeitnehmer immer stärker belastet durch Arbeitsverdichtung, steigende Zielvorgaben und wachsende Komplexität der Aufgaben. Massiver Stress und Folgekrankheiten sind weit verbreitet.

Gewerkschaften und Betriebsräte

Um die gestiegenen Anforderungen bewältigen zu können, setzen Mitarbeiter meist auf individuelle Lösungen, anstatt sich beispielsweise gewerkschaftlich oder politisch zu organisieren. Hier sehen die Autoren noch ein „nicht ausgeschöpftes Aktivierungspotential“. Anders bei den Erzieherinnen: Hier hat die als besonders ungerecht empfundene Vergütung offenbar dazu geführt, dass das gewerkschaftliche Engagement nachhaltig hoch bleibt.

Drohen Personalabbau oder gar Standortschließungen, dann formieren sich allerdings auf betrieblicher Ebene auch Protestbewegungen.

Den Gewerkschaften wird durchaus die Umsetzung von Ansprüchen und Interessen zugetraut. Und vor allem in großen Unternehmen hat auch die Betriebsratsarbeit weiter einen hohen Stellenwert.

„Alles wird schlechter“

Viele der Befragten sehen offenbar eine generelle Tendenz zur Verschlechterung, was die soziale Ungleichheit, die Sicherheit von Arbeitsverhältnissen, das Lohnniveau und die beruflichen Belastungen angeht. Erstaunlicherweise bewerten trotzdem viele Arbeitnehmer ihre persönliche Situation als relativ günstig – weil sie sich beispielsweise mit Arbeitnehmern in Krisenländern wie Griechenland vergleichen.  

Dr. Sigrid Joachimsthaler

Quellen:

Elena Shvartsman, Michael Beckmann: Stressed by Your Job: What Is the Role of Personnel Policy? (pdf), SOEPpapers 814, November 2015

Nick Kratzer, Wolfgang Menz, Knut Tullius, Harald Wolf: Beschäftigte wollen Gerechtig­­keit – und einen effektiv geführten Betrieb (pdf), Policy Brief der Forschungsförderung in der Hans-Böckler-Stiftung, Februar 2016

In Böckler Impuls Ausgabe 03/2016

 

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