17. Oktober 2015
25 Jahre deutsche Wiedervereinigung: Tariflöhne sorgen für innere Einheit
Vergleicht man die Tariflöhne in Ost- und Westdeutschland, so haben sie sich im Schnitt bis auf einen kleinen Unterschied von drei Prozent angeglichen. Anders sieht es aus, wenn man die Effektivlöhne betrachtet, bei denen auch die nicht tariflichen Gehälter berücksichtigt werden: Hier liegt der Osten immer noch um 17 Prozent zurück. Das ist vor allem der geringeren Verbreitung von Tarifverträgen geschuldet.
Zum Vergleich: 1991 betrug der Rückstand in den neuen Bundesländern bei den Tariflöhnen 40 Prozent und bei den Effektivlöhnen 42 Prozent. Die Schere hat sich also bis zum Jahr 2014 für ostdeutsche Arbeitnehmer mit Tarifbindung viel stärker geschlossen.
Die Zahlen beruhen auf einer aktuellen Auswertung des WSI-Tarifarchivs. Reinhard Bispinck, Leiter des Archivs, hält die „Revitalisierung des Tarifvertrages und des gesamten Tarifsystems“ für eine zwingende Voraussetzung, um Arbeits- und Einkommensbedingungen weiter anzugleichen. Der gesetzliche Mindestlohn und verbesserte Möglichkeiten, Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären, seien dabei hilfreich, so Bispinck.
Allerdings ist die Untersuchung auch kein Grund für Gewerkschaften, bei den bestehenden Tarifverträgen die Hände in den Schoß zu legen. Denn die Angleichung betrifft vor allem die Grundvergütung, während sich bei den Arbeitszeiten, beim Urlaubsanspruch und den Sonderzahlungen noch deutliche Lücken zeigen. Ein Beispiel: Ende letzten Jahres betrug die durchschnittliche tarifliche Wochenarbeitszeit in Westdeutschland 37,5 Stunden gegenüber 38,7 Stunden in Ostdeutschland.
sjo
Quelle: Böckler Impuls, Ausgabe 14/2015
Kommentar von Tanja Kratt, Zweite Vorsitzende von ADEXA:
Sachsens Apotheken: Leider eine Ausnahme
Auch für die öffentlichen Apotheken gilt: Dort, wo Tarifbindung besteht, sind die Tarifgehälter hüben wie drüben inzwischen gleich. Das ist auch richtig so, denn die Leistung der ostdeutschen Angestellten ist absolut gleichwertig. Und die wirtschaftliche Situation der Apotheken im Osten ist auch nicht schlechter als im Westen. Trotzdem hält der Sächsischen Apothekerverband im Jahr 25 nach der Wiedervereinigung hartnäckig an seinem tariflosen Zustand fest. Ein klarer Grund dafür, dass die innere Einheit zumindest dort nicht zustande kommt. Das zeigen die regelmäßigen Gehaltsumfragen von ADEXA leider immer wieder.
Freiberuflichkeit heißt aber nicht Freiheit von Tarifen. Wer das denkt, hat das bundesdeutsche System der Sozialpartnerschaft nicht begriffen. Nicht einmal Tarifstandards einzuhalten, bedeutet aber, dass man sich gegenüber Apothekeninhabern anderer Bundesländer einen unfairen und unkollegialen Wettbewerbsvorteil verschafft.
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