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18. November 2016

Bürgerversicherung: Gerechtigkeit versus Arbeitsplätze - Forschungsprojekt untersucht Umsetzungsszenarien

Eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie ist der Frage nachgegangen: Welche Auswirkungen  hätte der Übergang von einem zweigeteilten System mit GKV und PKV zu einer Bürgerversicherung auf die Situation der Beschäftigten bei den privaten Versicherern.  Das Ergebnis: Was für die Versichertengemeinschaft gerechter und solidarischer wäre, führt zu mehr oder weniger großen Arbeitsplatzverlusten, die kaum anderweitig kompensiert werden können.   

SPD, Grüne, Linke: Für eine einheitliche Bürgerversicherung,  wie sie in ganz Europa sonst üblich ist, plädieren diese Parteien schon lange. Die Forscher vom IGES Institut haben in vier Szenarien die Folgen eines Systemumbaus abgeschätzt – und kommen auf Arbeitsplatzverluste, die Kaiser’s Tengelmann weit in den Schatten stellen. Sie beträfen von den rund 68.000 Beschäftigten in der PKV (Stand 2014) je nach Szenario zwischen 22.700 und 51.000 innerhalb der nächsten zehn Jahre. In dem von Gesundheitsforscher  Martin Albrecht und seinem Team als am günstigsten bewerteten Szenario (siehe Kasten) würden immerhin ein Drittel der Stellen wegfallen. 

Und wer hofft, dass die PKV-Beschäftigten in der GKV eine neue berufliche Heimat fänden, wird in der Studie eines Schlechteren belehrt. Das Potential, um diesen Stellenabbau im Versicherungsbereich auszugleichen, sei gering. „Kompensierende Beschäftigungseffekte in der GKV wurden ebenfalls als unrealistisch angesehen“, schreiben die Autoren. So sei das Zusatzversicherungsgeschäft in der GKV vernachlässigbar. Und die zusätzlichen Versicherten, die aus der PKV in die GKV wechselten, könnten allenfalls zu einer Verlangsamung des ohnehin stattfindenden Personalabbaus in der GKV führen, kaum aber zu positiven Personaleffekten.

Was wiegt schwerer?

Auf der einen Seite steht also eine fünfstellige Zahl an Arbeitsplätzen im privaten Versicherungsgewerbe, das bereits seit Jahren unter Druck steht. Auf der anderen Seite geht es um die Interessen der Versicherten – und zwar nicht nur derjenigen in der GKV. Denn auch wer bisher auf die PKV gesetzt hat, sieht sich derzeit häufig gravierenden Beitragssteigerungen gegenüber – aber die Wechseloptionen in eine gesetzliche Kasse sind rar. 

Für die Solidargemeinschaft in der GKV wäre es in jedem Fall günstiger, wenn auch die leistungsstärkeren Beschäftigen (Beamte, Selbstständige, Gutverdiener) in das gleiche System einzahlen würden. „Die Krankenkassenbeiträge könnten in einem einheitlichen System mit solidarisch finanzierten Leistungen für alle Versicherten um durchschnittlich ein bis drei Prozentpunkte sinken, wie verschiedene Studien zeigen“, heißt es in der Pressemeldung der Hans-Böckler-Stiftung zur vorliegenden Studie. Darüber hinaus versprechen sich die Befürworter der Bürgerversicherung einen Ausstieg aus der Zwei-Klassen-Medizin.

Dr. Sigrid Joachimsthaler

Quellen:

Böckler-Impuls 17/2016

Martin Albrecht u.a.: Transformationsmodelle einer Bürgerversicherung (pdf). Studie der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 332, Oktober 2016

 

Der Weg zur Bürgerversicherung: Dieses Szenario befürworten die IGES-Forscher

In diesem Übergangsszenario würden die gesetzlichen Kassen und privaten Krankenversicherer auf einem gemeinsamen Markt agieren – unter den gleichen Wettbewerbsbedingungen. Sie wären auch in einen gemeinsamen Risikostrukturausgleich einbezogen. Kunden hätten bessere Chancen, die Versicherung zu wechseln. Damit würde sich ein Trend weiter verstärken: Immer mehr Menschen wechseln von der PKV in die GKV. 

 

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