28. August 2015
Damit Arbeit nicht krank macht: Plädoyer für den Acht-Stunden-Tag
Deutschlands Arbeitgeber würden den Acht-Stunden-Tag nur allzu gerne abschaffen. Mehrere Analysen lassen Zweifel am Sinn dieser Forderung laut werden. Einerseits bieten tarifliche Regelungen viele Freiheiten. Andererseits führt hohe Belastung nachweislich zu Krankheiten.
Brauchen wir tatsächlich neue Arbeitszeitregelungen jenseits des Modells mit acht Stunden pro Tag? Nein, schreiben Experten des WSI-Tarifarchivs in der Hans-Böckler-Stiftung. Eine Analyse zeigt branchenunabhängig, welche Möglichkeiten das Tarifrecht heute schon vorsieht.
„Kluge Nutzung bestehender Gestaltungsspielräume“
Im Bereich öffentlicher Apotheken schafft ein Jahresarbeitszeitkonto mit Freizeitausgleich Flexibilität. Der Bundesrahmentarifvertrag (BRTV) sieht einen vergleichsweise großen Gestaltungsspielraum vor: Gemäß § 4 Nr. 1 BRTV kann die Arbeitszeit bei Angestellten in Vollzeit 29 bis 48 Stunden betragen. Bei Teilzeitbeschäftigung sollen es zwischen 75 und 130 Prozent der vertraglichen Arbeitszeit sein.
Maximal möglich sind 48 Stunden pro Woche. Hinzu kommen befristete oder dauerhafte vertragliche Änderungen der Stundenzahl. Wo liegt also das Problem? „Wir brauchen keine Aufweichung von Schutzregelungen, sondern eine kluge Nutzung der bestehenden Gestaltungsspielräume“, erklärt Dr. Reinhard Bispinck, Leiter des WSI-Tarifarchivs. Keine Einzelmeinung: Bereits vor 15 Jahren wies der damalige Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt auf tarifliche Gestaltungsmodelle hin. Diese Flexibilität sei in den letzten Jahren noch gestiegen, sagt Bispinck.
Arbeiten bis zum Umfallen
Beharren Arbeitgeber weiterhin auf ihrer Forderung, die täglichen Stundenzahlen zu erhöhen, führt das zu einer schleichenden Ausweitung der Belastung. Schon heute klagen viele Kolleginnen und Kollegen, der Job überlagere sich zu stark mit Familie und Feierabend. Im Fachjournal „The Lancet“ berichten Forscher unter der Leitung von Professor Mika Kivimäki, London und Helsinki, jetzt von weiteren Folgen. Sie haben Daten von 600.000 Menschen aus Europa, Australien und aus den USA analysiert. Zu Beginn waren ihre Probanden durchschnittlich 40 Jahre alt. Innerhalb des 8,5-jährigen Follow-Ups trat bei 4.800 Personen eine koronare Herzkrankheit auf und 1.722 erlitten einen Schlaganfall. Nachdem Kivimäki Einflussfaktoren wie Hypertonie oder Alkohol korrigiert hatte, fand er erstaunlich deutliche Zusammenhänge: Wer 41 bis 48 Stunden pro Woche arbeitete, hatte ein zehn Prozent erhöhtes Schlaganfallrisiko. Bei 49 bis 54 Stunden pro Woche waren es 27 Prozent, und bei 55 oder mehr Stunden sogar 33 Prozent. Der Zusammenhang trat bei Männern und Frauen in vergleichbarem Maße auf. Regionale Unterschiede fanden die Forscher nicht. Als Basis dienten Beschäftigte, die 35 bis 40 Stunden in der Woche arbeiteten. Damit sprechen sogar medizinische Gründe für eine Beibehaltung des Acht-Stunden-Tages.
Michael van den Heuvel
Quellen
Hans-Böckler-Stiftung: http://bit.ly/1NDA5IL
The Lancet: http://bit.ly/1PAPBTP
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