19. Oktober 2020
„Digitaler Stress“: Studie benennt zwölf Belastungsfaktoren
Die große Mehrheit der Beschäftigten wird bei der Arbeit mit digitalen Technologien und Medien konfrontiert. Eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik mit über 5.000 Erwerbstätigen zeigt: Die wachsende Digitalisierung am Arbeitsplatz und die häufigen Technikwechsel verursachen Stress.
Wie jeder technologische Fortschritt hat auch die Digitalisierung Licht- und Schattenseiten. Eine vom Bundesforschungsministerium geförderte Studie hat die psychischen und physischen Belastungen untersucht, die von der beruflichen Nutzung der neuen digitalen, mobilen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) ausgehen.
Zwölf Belastungsfaktoren haben die Wirtschaftsinformatiker um Prof. Dr. Henner Gimpel anhand von Fallbeispielen beschrieben und Lösungen für den betrieblichen Umgang mit dem Digitalisierungsstress formuliert. Sie treten in unterschiedlicher Häufigkeit auf (siehe Tabelle). Besonders oft klagen Beschäftigte über das Gefühl, von der digitalen Technik ständig überwacht und bewertet zu werden. Auf Rang zwei der Belastungsfaktoren wird die Verletzung der Privatsphäre genannt (Stichwort „Gläserner Mensch“). Auf dem dritten Platz ein Problem, das wohl jeder kennt: die Unzuverlässigkeit von Technik und Medien.
Wird der Stress zum Dauerproblem am Arbeitsplatz, können sich diverse negative Folgen einstellen: Die Autoren nennen hier eine reduzierte Arbeitsleistung, Unzufriedenheit und Gereiztheit, eine geringere Bindung an den Betrieb und an den Arbeitsplatz sowie gesundheitliche Beschwerden und emotionale Erschöpfung bis hin zum Burnout.
„So beeinflussen digitaler Stress und die sich daraus ergebenden Folgen sowohl die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen als auch die Gesundheit von Beschäftigten“, schreiben die Autor*innen. Deshalb sei eine psychische Gefährdungsbeurteilung erforderlich, in der digitaler Stress mit berücksichtigt wird, sowie gegebenenfalls präventive Maßnahmen.
Zu solchen Maßnahmen können zum Beispiel Schulungen gehören, ein „Help Desk“ sowie ein betrieblicher Ansprechpartner für digitalen Stress. Oder auch technologische Funktionen, mit denen sich Geräte und Dienste zeitweilig abschalten lassen und so die pausenlose Erreichbarkeit entfällt (temporäre Mute-Funktion). „Solche Tools sollten zu einem gewissen Grad von den Beschäftigten selbst konfigurierbar sein, um Funktionen, die nicht benötigt werden, ausschalten oder das Benachrichtigungsverhalten auf die persönlichen Vorlieben und Bedürfnisse anpassen zu können“, heißt es in der Studie. Außerdem sollte darauf geachtet werden, ausgereifte Technik zu verwenden und sinnvolle Aktualisierungszyklen zu verwenden.
Wichtig für ein niedriges Stressempfinden sei auch die gute Beziehung zu den Führungskräften. Diese hätten im Umgang mit digitalen Technologien eine Vorbildfunktion und könnten „durch gemeinsame Teamnormen Zeiten der Erreichbarkeit, Kommunikationswege und Zusammenarbeit definieren“.
Die Studie erfolgte in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und dem Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrum für Fragen der mittelständischen Wirtschaft e.V. (BF/M-Bayreuth).
sjo
Tabelle: Digitale Belastungsfaktoren und Anteil von Beschäftigten, die von einer sehr starken Ausprägung berichten
17% Ständige Leistungsüberwachung und Bewertung
14% Gläserne Person/Verletzung der Privatsphäre
10% Unzuverlässigkeit der digitalen Technologien und Medien
9% Unterbrechungen
9% Überflutung mit Informationen und Beschleunigung
8% Nicht-Verfügbarkeit von Technologie
5% Verunsicherung durch ständigen Wechsel
5% Unklarheit der eigenen Rolle
5% Komplexität digitaler Technologien und Medien
4% Omni- und Dauerpräsenz
4% Job-Unsicherheit
4% Mangelnde Erfolgserlebnisse
Quellen:
Digitalkompetenz
Ein Kommentar von ADEXA-Vorstand Andreas May
Innovative Technik soll uns das (Arbeits-)Leben erleichtern. Oftmals tut sie das auch – und lässt doch gleichzeitig durch die Hintertür neue Probleme (Stichwort elektronische Zeiterfassung) und zusätzliche Formen von Stressoren herein. Deshalb ist die Digitalisierung ein wichtiges Teamthema für die Apotheken: Sie braucht gemeinsame Regeln und ggf. Schulungen für die verwendeten Technologien und Medien – und Vorbilder, die diese Regeln vorleben! Wichtig ist darüber hinaus Transparenz im Umgang mit den Daten, die digital erhoben werden, damit sich keiner ausgespäht vorkommen muss.
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