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27. August 2015

Europaweiter Vergleich der Arbeitszeiten: Überstunden häufiger unbezahlt als bezahlt

Im Schnitt hat jeder deutsche Arbeitnehmer 2014 fast fünfzig Überstunden geleistet – davon 28 Stunden unbezahlt und 21 Stunden bezahlt, so das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Und ein EU-weiter Vergleich von Eurofound zeigt: Zusammen mit den Niederlanden liegt Deutschland an der Spitze, was den Abstand zwischen tariflicher und tatsächlicher Wochenarbeitszeit angeht.

Unterschiede gibt es je nach Branche, so ist Mehrarbeit ohne finanziellen Ausgleich im Dienstleistungssektor besonders verbreitet. Aber auch die Tarifbindung hat einen Einfluss. Laut DGB-Chef Reiner Hoffmann fallen in Unternehmen ohne Tarifvertag weit mehr unbezahlte Überstunden an als in tarifgebundenen Firmen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert daher, Überstunden abzubauen und dafür mehr Stellen zu schaffen. Denn der durch dauerhafte Mehrarbeit bedingte Stress führe wiederum zu Krankheiten und Arbeitsunfähigkeit. Außerdem plädiert Hoffmann für mehr Tarifbindung.

Dass die Arbeitnehmer in Deutschland regelmäßig mehr unbezahlte als bezahlte Mehrarbeit leisten, beobachtet das IAB schon seit Beginn dieses Jahrtausends. 2014 summierten sich die unbezahlten Überstunden auf 1,06 Milliarden (!). Im Vergleich wurden lediglich 806 Millionen Stunden Mehrarbeit bezahlt.

Die Belastung steigt

Neben unbezahlter und bezahlter Mehrarbeit führen auch die Arbeitsverdichtung, die Zunahme von Wochenendarbeit und die Erwartungshaltung, dass Arbeitnehmer und Führungskräfte ständig erreichbar sind, zu einer wachsenden Belastung. Es ist daher wichtig, dass Mitarbeiter auf sich achten und auch die Grenzen kennen, die der Gesetzgeber und die Tarifpartner bezüglich der Arbeitszeiten gezogen haben.

„Wenn Sie als Angestellte merken, dass die verlangten Arbeitszeiten ständig im Widerspruch zum Tarifvertrag, Ihrem Arbeitsvertrag bzw. dem Arbeitszeitgesetz stehen, sollten Sie rechtzeitig Stopp sagen“, rät ADEXA-Juristin Iris Borrmann. „Im Zweifelsfall wenden Sie sich als ADEXA-Mitglied an unsere Rechtsberatung.“

Aber auch der Arbeitgeber ist gefordert, im Rahmen seiner Fürsorgepflicht solche übermäßige Belastung gar nicht erst aufkommen zu lassen. „Wer in der Apotheke gute Beratung leisten soll oder im Labor konzentriert tätig sein muss, der darf nicht selbst ständig an oder jenseits seiner Kapazitätsgrenzen arbeiten.“

Eine Lösung, wenn Gespräche nichts fruchten, ist die schriftliche Überlastungsanzeige an den Apothekenleiter. Damit können Arbeitnehmer sich auch gegen stressbedingte Haftungsrisiken absichern.

ADEXAs Erste Vorsitzende Barbara Neusetzer sieht noch einen anderen Grund, warum Apothekenmitarbeiter sich vor Mehrarbeit ohne finanziellen oder zeitnahen Freizeitausgleich hüten sollten: „Eigentlich wäre eine tarifliche Gehaltserhöhung überfällig. Die Reallöhne sinken also – da ist unbezahlte Mehrarbeit noch ein weiterer Faktor, der die Vergütung Ihrer Arbeitsleistung schmälert. Das sollten Sie als gesuchte Fachkraft nicht mit sich machen lassen.“

Dr. Sigrid Joachimsthaler

 

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