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26. Oktober 2018

Flexible Arbeitszeitmodelle zugunsten der Beschäftigten - Studie zum europäischen Dienstleistungssektor

Mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten bei den Arbeitszeiten, das wünschen sich viele Arbeitnehmer. Wie das gehen kann und welche Vereinbarungen Gewerkschaften in 15 europäischen Ländern bisher durchsetzen konnten, zeigt eine Studie des Sozialwissenschaftlers Roland Schneider im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung.

Durchschnittlich 36,3 Wochenstunden haben Beschäftigte in der EU im Jahr 2017 gearbeitet. 2008 waren es noch 30 Minuten mehr. Das liegt laut Schneider daran, dass die Teilzeitbeschäftigung wächst, vor allem bei Frauen. Bei den vollzeitbeschäftigten Männern im Dienstleistungsbereich hat es dagegen keinen wesentlichen Rückgang bei den Wochenstunden gegeben.

Was sich geändert hat, ist der Anteil atypischen Arbeitszeiten. Der traditionelle Achtstundentag und die Fünftagewoche sind auf dem Rückmarsch. Europaweit stieg der Anteil an Beschäftigen im Schichtdienst. In Deutschland arbeitet jeder Fünfte regelmäßig am Samstag und fast ein Viertel der Beschäftigten an Sonn- und Feiertagen. Auch in der Freizeit müssen immer mehr Arbeitnehmer häufig verfügbar sein:  Von 2011 bis 2017 stieg der Anteil von 27 auf 56 Prozent.  

Wunsch nach mehr Zeitsouveränität

Dienstleistungsgewerkschaften versuchen europaweit, ihre Mitglieder im Wunsch nach einem größeren Maß an Selbstbestimmung in der Arbeitszeit zu unterstützen. Ziel ist es, Beruf mit Privatleben und Weiterbildungsaktivitäten besser zu vereinbaren. Dabei geht es weniger um eine pauschale Senkung der Arbeitszeit für alle, sondern um mehr Zeitsouveränität für den Einzelnen je nach seiner Lebenssituation.

Eine Option, die sich in ersten Tarifverträgen in Deutschland wiederfindet, ist die Wahl zwischen einer Gehaltserhöhung und mehr Freizeit. Auch ein Anspruch auf unbezahlte Freistellung für die Pflege von Angehörigen oder eine Verlängerung der Elternzeit sind hier zu nennen.

Mehr Flexibilität für Beschäftigte kann auch ein Anspruch auf Telearbeit bieten. Andererseits droht dann die Gefahr, dass Arbeitnehmer rund um die Uhr erreichbar sein sollen. Frankreich hat deshalb seit Anfang 2017 ein Recht auf Nichterreichbarkeit in der Freizeit festgelegt.

Bildungsteilzeit und Altersteilzeit sind weitere Bereiche, in denen Gewerkschaften den Beschäftigten mehr Mitgestaltungsoptionen verschaffen.

Was tut sich auf betrieblicher Ebene?

Tarifliche und gesetzliche Ansprüche sind das eine; das andere ist die Frage, ob diese Ansprüche auch genutzt werden. Und da hapert es noch vielfach, so der Autor. Das liege sowohl an Vorgesetzen, die nicht von ihrer Vorstellung vom männlichen, gerne und viel Überstunden leistenden Vollzeitmitarbeiter Abschied nähmen. Ein weiterer Grund, der einer größeren Flexibilität im Sinne der Beschäftigten entgegensteht, seien dünne Personaldecken. Hier sieht Schneider noch ein großes Arbeitsfeld für Gewerkschaften und Bedarf für aktive Betriebsräte.

Ein Blick auf den Apothekenbereich

ADEXA-Vorstand Andreas May zur Studie: „In Deutschland sind kleinere Betriebe von einer Reihe gesetzlicher Ansprüche ausgeschlossen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern sollen, zum Beispiel bei der Pflege- und Familienpflegezeit. Auch die geplante befristete Teilzeit soll erst ab einer Mitarbeiterzahl von 45 greifen. Angestellte in größeren Apotheken und Filialverbünden könnten aber schon profitieren. Das gesamte Thema Arbeitszeit ist auf jeden Fall für unsere Mitglieder von großer Bedeutung – und wir werden bei den kommenden Verhandlungen zum Bundesrahmentarifvertrag dazu Vorschläge und Forderungen im Gepäck haben.“

sjo

Quelle: Roland Schneider: Innovative Arbeitszeitpolitik im Dienstleistungssektor, Working Paper der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 91, September 2018; in: Böckler Impuls 16/2018

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