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29. Juli 2021

Flutschäden und Arbeitsrecht: Ein Blick auf Rechte und Pflichten in der Apotheke

Apothekenangestellte können auf verschiedene Weise von den Auswirkungen der Flutkatastrophe betroffen sein. Ein Blick aus arbeitsrechtlicher Perspektive:

Im besten Falle haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Apotheken keine persönlichen Verluste zu beklagen, sondern wurden vom Technischen Hilfswerk (THW) oder der freiwilligen Feuerwehr zu Notfalleinsätzen eingeteilt. Vielleicht mussten sie sich aber auch selber um Haus, Grundstück, Fahrzeug oder Familienmitglieder kümmern. Vermutlich war für viele auch der Weg zur Arbeit zunächst gar nicht oder nur mit großer Verzögerung möglich. Und nicht zuletzt kann es auch die Apotheke getroffen haben, in der man arbeitet und die wegen der Überschwemmungen nicht öffnen konnte.
In allen solchen Fällen hilft ein ruhiger und sachlicher Blick auf die arbeitsrechtlichen Ansprüche und Pflichten von Apothekenleitung wie Angestellten aus dem jeweiligen Arbeitsverhältnis. Ebenso aber auch Großzügigkeit, Flexibilität und Solidarität, um die in solchen Zeiten angespannten Nerven auf beiden Seiten nicht zusätzlich zu strapazieren.

Arbeitsverhinderung schnellstmöglich anzeigen

Egal, aus welchem Grund man seine Arbeit in der Apotheke verspätet oder gar nicht antreten kann, besteht die Pflicht, dies dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen. In diesen schlimmen Tagen der Überschwemmung, wo in einigen Gegenden Menschen ums nackte Überleben gekämpft haben, aber auch Kommunikationsnetze längerfristig ausfielen, mag das zynisch klingen und ist oft leichter gesagt als getan. So wird es immer eine Einzelfallbeurteilung geben müssen. Wer aber Handynetz hatte, der hätte eine Verspätung oder Wegbleiben wegen ausfallender Züge oder Busse umgehend der Apothekenleitung durchgeben müssen – oder die Tatsache, dass der überflutete Keller keinen Aufschub bei der Schadensbegrenzung duldet.

Ausfall von Arbeitsleistung

Wer aufgrund eines solchen akuten Notfalls in der persönlichen Sphäre verhindert ist zu arbeiten, hat laut § 616 BGB einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, so das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil von 1982. Wer allerdings aufgrund allgemeiner Schäden an der Verkehrsinfrastruktur nicht zur Arbeit kommt, trägt als Beschäftigter selbst das Wegerisiko und hat diesen Anspruch nicht, könnte also allenfalls auf Kulanz der Apothekenleitung hoffen.

Einschränkend gilt: Eine Lohnfortzahlung muss nur für eine „nicht wesentliche Zeit“ geleistet werden – Experten sehen im aktuellem Fall je nach Einzelfall einige Tage als gerechtfertigt an. Und sie kann auch durch den Arbeitsvertrag bzw. den Tarifvertrag ausgeschlossen sein.

Abmahnung wegen Verspätung?

Wer aufgrund der akuten Hochwassersituation verspätet oder gar nicht zur Arbeit kommen kann, trägt kein Verschulden – und muss damit im Regelfall auch keine Abmahnung dulden. 

Anspruch auf Urlaub

Wenn sich Angestellte aufgrund der persönlichen Betroffenheit Urlaub nehmen wollen, um Schäden zu beheben oder zu regulieren, muss der Antrag in der Regel genehmigt werden. Betriebliche Belange zählen in der Abwägung mit existenziellen Notlagen meist weniger, so Rechtsexperten; hier müsste sich die Apothekenleitung also ggf. um eine Vertretungskraft bemühen. 

Ehrenamtlicher Einsatz in der Katastrophenhilfe

Wer als freiwilliger Helfer vom THW oder der freiwilligen Feuerwehr für den Einsatz in den Hochwassergebieten eingeteilt wurde, hat gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf Freistellung und Lohnfortzahlung. Das ist gesetzlich geregelt (§ 3 Abs. 2 THW-Gesetz bzw. Brandschutzgesetze der Länder).

Ein Freistellungsanspruch gilt meist auch für den ehrenamtlichen Katastropheneinsatz in anderen Hilfsorganisationen wie dem DRK. Zum Ersatz des Verdienstausfalls gibt es landesrechtliche Regelungen, so ADEXA-Juristin Minou Hansen.

Wer zu solch einem Katastropheneinsatz aus dem Urlaub geholt wurde, dessen Arbeitgeber ist laut BAG-Urteil von 2005 verpflichtet, die verfallenen Urlaubstage später nachträglich zu gewähren.

Keine Einbahnstraße: Schadensabwehr in der Apotheke

Andererseits darf die Apothekenleitung auch vom Team Einsatz für die akute Gefahrenabwehr fordern – allerdings nur im Rahmen ihrer körperlichen Verfassung und dabei keine gesundheitsgefährdenden Arbeiten anordnen. Hier wäre etwa an das Absichern mit Sandsäcken zu denken oder die Rettung empfindlicher Geräte in ein Obergeschoss. Im Einzelfall sind auch unbezahlte Überstunden in einem zumutbaren Maße erlaubt.

Muss die Apotheke allerdings geschlossen bleiben und es können keine zumutbaren Arbeiten stattfinden, dann trägt die Apothekenleitung das Betriebsrisiko und muss eine Lohnfortzahlung leisten (§ 615 BGB). Das würde auch für Fälle gelten, wo Öffnungszeiten reduziert werden müssen, weil z. B. die Belieferung durch den Großhandel nicht möglich ist.

Kurzarbeit möglich – wie bei Corona

Ist die Apotheke unmittelbar vom Hochwasser betroffen und sind mindestens 10 Prozent der Beschäftigten von Arbeitsausfällen betroffen, kann derzeit unter den gleichen Bedingungen wie bei pandemiebedingten Ausfällen Kurzarbeitergeld (KUG) beantragt werden (§ 96 SGB III).

Sigrid Joachimsthaler

Quelle: Haufe, News vom 21.7.2021


Überschwemmungsgebiete: Bei arbeitsrechtlichen Problemen hilft unsere Rechtsberatung

ADEXA-Mitglieder, die aufgrund der Überschwemmungen arbeitsrechtliche Fragen und Problemen haben, können sich an die gewerkschaftliche Rechtsberatung wenden: info[at]adexa-online.de

Hier auch noch einmal Infos, wie man für die Betroffenen spenden kann:

Zentrale Spendenhotline „Gemeinsam gegen die Flut“: 01802 252530. Spenden werden u. a. an DRK, Caritas, Diakonie und Volkssolidarität verteilt.

Aktion Deutschland Hilft e.V., Spendenkonto: 10 20 30, Bank für Sozialwirtschaft, Köln, BLZ 370 205 00, Stichwort: Hochwasserhilfe 2021

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