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23. Januar 2015

Forever young? Lebensarbeitszeit in der Kontroverse

Einmal mehr ist das Rentenalter Gegenstand politischer Kontroversen. Angestellte, die sich jenseits von 65 Jahren noch fit fühlen, sollen auf freiwilliger Basis bis 70 arbeiten und dafür Boni erhalten. Viele deutsche Unternehmen sind aber auf ältere KollegInnen kaum eingestellt.

Angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland hat sich der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, für eine freiwillige Rente mit 70 ausgesprochen. Er hält flexible Ausstiegsmöglichkeiten aus dem Erwerbsleben „grundsätzlich für ein gutes Modell“. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es jedoch Zweifel am späten Ruhestand.

Neue Studie zu Arbeitsbedingungen

Mit welchen Arbeitsbedingungen ältere Kolleginnen und Kollegen zu rechnen haben, hat Sarah Mümken vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) untersucht. 2012 waren knapp 6,2 Millionen Erwerbstätige 55 Jahre oder älter; das entspricht 17 Prozent. Betrachtet wurden nur Beschäftigte, die wöchentlich mindestens zehn Stunden arbeiten.

Unterschiede gab es je nach Tätigkeitsprofil: Bei freien oder hochqualifizierten Berufen – dazu gehören Ärzte, Anwälte oder Lehrer – lag der Anteil älterer Arbeitnehmer bei 23,1 Prozent. Bei den Angestellten aus „qualifizierten Diensten“, wie Polizisten, Feuerwehrleuten oder Friseuren, waren nur 13,8 Prozent älter als 54.

Bei der Betrachtung nach Branchen bildet der private Dienstleistungssektor mit knapp 14 Prozent das Schlusslicht. Der öffentliche Dienst beschäftigt dagegen zu fast einem Viertel Ältere.

Wesentliche Unterschiede hinsichtlich der wöchentlichen Arbeitszeiten zwischen jüngeren und älteren Beschäftigten fand die Forscherin weder bei Männern noch bei Frauen (siehe Kasten). Sie moniert, Arbeitszeitverkürzungen im Alter würden bislang kaum genutzt. Entweder hätten Ältere ähnliche Vorlieben wie ihre jüngeren Kollegen – oder es mangele an Teilzeitangeboten. Tatsächlich wird bei Altersteilzeit meist das „Blockmodell“ mit vorzeitigem Komplettausstieg genutzt.

Psychische Belastung im Mittelpunkt

Während sich körperliche Strapazen seit 1979 deutlich verringert haben, ist die seelische Belastung in gleichem Maße angestiegen. Von Stress, Terminen und vom Leistungsdruck sind ältere Angestellte in ähnlichem Maße betroffen wie ihre jüngeren Kollegen.

Neun von zehn jüngeren Angestellten schätzen ihre Gesundheit als gut ein, unter den Älteren acht von zehn. Erstaunlich: Die beste eigene Bewertung gaben die über 65-Jährigen ab. Eine mögliche Erklärung: Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, scheidet spätestens mit 65 Jahren aus und wird nicht mehr erfasst. Weitere Informationen liefert die Studie hier nicht; in vielen Fällen hängt diese Entscheidung sicher von schlechten Bedingungen am Arbeitsplatz ab.

Bleibt als Fazit: Wenn Politiker eine Erwerbstätigkeit älterer Arbeitnehmer fordern, müssen sie auch dafür Sorge tragen, dass geeignete Arbeitsplätze vorhanden sind. Mit Blick auf den vielfach beklagten Fachkräftemangel sind allerdings auch die Arbeitgeber in der Pflicht.

Michael van den Heuvel

Quelle:

Sarah Mümken: Arbeitsbedingungen und Gesundheit älterer Erwerbstätiger, Altersübergangs-Report 3/2014, online abrufbar über http://bit.ly/1ArVGZp.

 

Arbeitszeiten* von jüngeren und älteren Beschäftigten

Männer

· bis 54 Jahre: 44,0 Wochenstunden

· 55-59 Jahre: 43,1 Wochenstunden

· 60-64 Jahre: 43,2 Wochenstunden

Frauen

· bis 54 Jahre: 33,9 Wochenstunden

· 55-59 Jahre: 33,8 Wochenstunden

· 60-64 Jahre: 32,5 Wochenstunden

* tatsächliche durchschnittliche Arbeitszeiten

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