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14. Juni 2021

Geschlechtergerechte Digitalisierung: Zum Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Haben Frauen die gleichen Chancen auf Zugang zu relevanten IT-Ressourcen, für die Nutzung digitaler Technologien und die Gestaltung des digitalen Transformationsprozesses? Diesen Fragen geht der Dritte Gleichstellungsbericht nach, der jetzt vorgestellt wurde. Ein wichtiges Problem sieht die zuständige Bundesministerin in der Doppelbelastung von Frauen im Homeoffice.

„Welche Weichenstellungen sind erforderlich, um die Entwicklungen in der digitalen Wirtschaft so zu gestalten, dass Frauen und Männer gleiche Verwirklichungschancen haben?“ So lautet die Leitfrage eines Gutachtens der Sachverständigenkommission, auf dem der Dritte Gleichstellungsbericht basiert. Aus den entsprechenden Handlungsempfehlungen des Gutachtens hat die Regierung im Bericht die folgenden als besonders relevant aufgegriffen und bewertet:

Mehr Teilhabe von Frauen in der Digitalbranche: In der IT-Branche beträgt der Frauenanteil nur 16 Prozent. Fördermaßnahmen für die späteren MINT-Fächer sollten schon in der frühkindlichen Bildung ansetzen.

Berufliche Selbstständigkeit in der Digitalbranche: Auch bei der Gründung von Hightech-Start-ups sind Frauen unterrepräsentiert. Hier lautet die Empfehlung, die Sichtbarkeit durch Kampagnen und Veranstaltungen zu erhöhen, die Netzwerkbildung zu stärken und einen gleichberechtigten Zugang zu Gründungskapital zu ermöglichen.

Plattformökonomie: Hier geht es u.a. um die soziale Absicherung von Frauen sowie um ihren Schutz vor Diskriminierung durch Algorithmen bei der Nutzung Künstlicher Intelligenzen (KI).

Digitalisierter Arbeitsmarkt: Der Bericht empfiehlt, leistungs- und geschlechtergerechte  Tätigkeitsbeschreibungen sowie Arbeitsbewertungsverfahren umzusetzen. Außerdem fordert das Gutachten, Digitalisierungskompetenzen zu fördern unabhängig vom Geschlecht und in allen Phasen des Lebenslaufs.
Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit in der digitalen Transformation: Die Sachverständigenkommission empfiehlt einen Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten, allerdings mit flankierenden Maßnahmen. Denn Homeoffice stärke nicht automatisch die partnerschaftliche Verteilung unbezahlter Sorgearbeit. Männer erhöhen zwar ihren Anteil daran, wenn sie im Homeoffice arbeiten, Frauen jedoch im Vergleich noch stärker. Und: Gesundes Arbeiten im Homeoffice müsse ein Aspekt des betrieblichen Gesundheitsmanagements sein.

Soziale Medien: Hier geht es darum, die Vielfalt von Geschlechterbildern in den sozialen Medien zu fördern und entsprechende Medienkompetenzen zu entwickeln.

Geschlechtsbezogene digitale Gewalt: Die Kommission empfiehlt, die Beratungsstruktur in diesem Bereich auf Landes- und Bundesebenen zu stärken und nachhaltig auszubauen.

Stärkung gleichstellungspolitischer Strukturen: Das Gutachten rät u. a., bei der Gesetzesfolgenabschätzung sowie der Technikfolgenabschätzung auf die Gleichstellung zu achten. Außerdem sollte ein Arbeitsbereich Digitalisierung in der Bundesstiftung für Gleichstellung eingerichtet werden.

ADEXA zum Bericht

ADEXA-Vorstand Tanja Kratt kommentiert: „Ein Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten? Für den Apothekenbereich wird sich dies erfahrungsgemäß nur in Maßen umsetzen lassen. In Pandemie-Zeiten war die – wo auch immer mögliche – Homeoffice-Arbeit sicher sinnvoll, weil sie dem Schutz vor Ansteckung diente. Wenn die „Covid-19-Zeit“ vorbei ist, werden Apothekenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter aber froh sein über den ganz normalen Kontakt zu Kundinnen und Kunden. Das macht die Berufe in Apotheken schließlich aus, nämlich die Beratung von Angesicht zu Angesicht.“

Zum Gleichstellungsbericht

Ende Januar 2021 wurde das Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht an die damalige Familien- und Gleichstellungsministerin Franziska Giffey übergeben. Am 9. Juni hat das Bundeskabinett mit ihrer Nachfolgerin, Familien- und Justizministerin Christine Lambrecht (beide SPD), den Bericht – bestehend aus dem Gutachten plus einer Stellungnahme – verabschiedet.

Die Sachverständigenkommission besteht aus elf Fachleuten aus verschiedenen Fachdisziplinen (Volkswirtschaft, Rechtswissenschaft, Informatik, Soziologie, Betriebswirtschaft, Pädagogik und Wirtschaftsingenieurwesen). Vorsitzende ist die Professorin für VWL, insbesondere Sozial- und Wirtschaftspolitik, Aysel Yollu-Tok von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin.

Bundestag und Bundesrat hatten 2011/2012 die damalige Bundesregierung aufgefordert, einmal pro Legislaturperiode einen Gleichstellungsbericht vorzulegen.

Sigrid Joachimsthaler 

⃰ MINT: Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaften und Technik.

https://www.dritter-gleichstellungsbericht.de/de/topic/73.gutachten.html

 

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