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11. Dezember 2015

Polypharmazie aus Sicht der Gesundheitsökonomie: Forschung zur Akzeptanz des Medikationsplans

Der bundeseinheitliche Medikationsplan kommt ab Oktober 2016 in Papierform. Drei bis Ende nächsten Jahres laufende Modell- und Forschungsprojekte zu diesem Thema werden dann aber noch nicht komplett abgeschlossen, geschweige denn vollständig ausgewertet sein. In der Region Nürnberg-Fürth werden dabei auch diverse Apotheken zu ihrer Akzeptanz befragt.

Einerseits ist es verständlich, dass Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sein Prestigeprojekt, das E-Health-Gesetz, endlich umsetzen wollte. Denn in puncto IT-Nutzung im Gesundheitsbereich hinkt Deutschland im internationalen Vergleich wahrlich hinterher. Und was nicht rechtzeitig vor dem Wahlkampf abgeschlossen ist, verzögert sich erfahrungsgemäß massiv  – oder ist bei neuen politischen Konstellationen vielleicht ganz gestorben. Andererseits können die Auswertungen der drei Pilotprojekte zum Medikationsplan so weder ins Gesetz einfließen noch in die Implementierungsphase ab April 2016.

Drei Testregionen

Neben dem ABDA-Projekt PRIMA in Sachsen und Thüringen sowie dem Projekt „Medikationsplan Erfurt“, das von Prof. Petra Thürmann (Klinische Pharmakologie der Universität Witten/Herdecke) geleitet wird, gibt es mit dem MetropolMediplan 2016* (MMP16; federführend Prof. Harald Dormann und Prof. Renke Maas) in Nürnberg-Fürth eine dritte Testregion, in der der Medikationsplan aus verschiedenen Blickwinkeln unter die wissenschaftliche Lupe genommen wird.

Im Rahmen des CCG-Forschungskolloquiums** an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) gab der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Jürgen Zerth von der Wilhelm-Löhe-Hochschule Fürth einen Überblick über Untersuchungen, die die Akzeptanz der Akteure im Fokus haben.

Motivation für die Einführung eines Medikationsplanes ist laut Zerth „die Steigerung der AMTS mit Hilfe intersektoraler Prozessinnovationen“.  Es geht also um die Schnittstellen im System, an denen bislang zu oft Informationsverluste oder Fehler auftreten. „Wir denken und optimieren vertikal statt horizontal“, so Zerth, sprich innerhalb der Disziplinen statt interdisziplinär. Ein Medikationsplan würde helfen, Kosten zu vermeiden, da die Selbstorganisation steige und die Zahl von unerwünschten Arzneimittelereignissen (UAE bzw. engl. ADE) gesenkt werden kann.

„Feldwege schottern“

Mit ihren Untersuchungen und Befragungen zielen die Forscher von MMP16 eigentlich auf einen E-Medikationsplan. Das politisch bedingt nur ein papiergebundener Plan umgesetzt wird, wirft viele Fragen auf, wie sich auch in der Diskussion zeigte. Hat der Patient wirklich den aktuellsten Plan dabei? Und kann man überhaupt davon ausgehen, dass das, was auf dem Plan steht, auch vom Patienten genommen wird?

Der Papierplan sei also nur ein erster Schritt, „da muss noch ganz viel folgen“, konstatierte Zerth. Bildlich gesprochen sei man erst dabei, „Feldwege mit Schotter zu versehen“, damit man nicht im Morast stecken bleibt. Von einer  Datenautobahn ist man offensichtlich noch sehr weit entfernt.

Bei den laufenden Befragungen zur Akzeptanz von Ärzten und Apothekern in der Modellregion zeigt sich zwar überwiegende Zustimmung zur Einführung eines Medikationsplanes. Gleichwohl erhoffen sich die Projektbeteiligten noch eine stärkere Rücklaufquote bei beiden Berufsgruppen.

Skeptische Ärzte in Österreich

Akzeptanzanalysen von 2014 aus Österreich weisen erhebliche Unterschiede zwischen Ärzten und Apothekern bei der Bewertung der computergestützten Medikationsliste auf. So hatten österreichische Ärzte zu über 70 Prozent den Eindruck, dass durch die E-Medikation keine verbesserte Compliance erreicht würde. Bei den Apothekern waren es nur 35 Prozent.

Dr. Sigrid Joachimsthaler

* MMP16: www.emedikationsplan.de

**Competence Center Gesundheit: www.haw-hamburg.de/ccg.html


 

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