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09. Juli 2021

Was tut sich bei der Pflege? Gesetzliche Änderungen und Gerichtsurteile

Mehr als vier Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig, Tendenz steigend. Eine Pflegereform blieb hinter den Erwartungen zurück. Und die Lage könnte sich durch ein Gerichtsurteil weiter verschärfen.

Die Legislaturperiode geht bald zur Neige. Noch am 2. Juni hat die große Koalition eine Pflegereform beschlossen. „Wir entlasten Pflegebedürftige und ihre Familien um etwa drei Milliarden Euro“, sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Um besonders denjenigen zu helfen, die lange pflegebedürftig sind, steigt die Entlastung, je länger man auf Pflege angewiesen ist.“ Was bringen die Änderungen Pflegebedürftigen und deren Familien wirklich? 

Finanzielle Entlastung, mehr Personal 

Eines der Grundprobleme bleibt, Fachkräfte zu finde und zu halten. Deshalb sieht die Novelle vor, dass ab 1. September 2022 nur noch Pflegeeinrichtungen mit der Pflegeversicherung abrechnen können, die ihre Angestellten nach Tarif bezahlen. Und bundeseinheitliche Personalschlüssel sollen dafür sorgen, dass mehr Fachkräfte eingestellt werden. 

Auch finanzielle Entlastungen für die Pflege im Heim ist Teil des Pakets. Eine Beispielrechnung hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) veröffentlicht. Sie geht von der Annahme aus, dass Pflegebedürftige oder deren Angehörige künftig im Schnitt 911 Euro als Eigenanteil leisten; zuvor lag der Wert je nach Bundeland deutlich höher. Die Absenkung soll laut BMG ab dem ersten Monat zu einer Entlastung von 45,55 Euro (5 Prozent) führen. Bei mehr als 12 Monaten sind es 227,75 Euro (25 Prozent), bei mehr als 24 Monaten 409,95 Euro und bei mehr als 36 Monaten 637,70 Euro. 

„Pflegende Angehörige gehen leer aus“, kritisiert ADEXA-Vorstand Andreas May. Etwa vier von fünf Pflegebedürftigen werden zuhause versorgt. Eine ursprünglich geplante Erhöhung des Pflegegelds hat die Koalition gestrichen. „Die Leistungen bleiben damit auf dem Niveau von 2017“, sagt May. „Für pflegende Angehörige ist das ein Schlag ins Gesicht!“ 

Mindestlohn auch für die 24-Stunden-Pflege 

Nahezu zeitgleich sorgt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts für Schlagzeilen. Geklagt hatte eine Bulgarin, die im Auftrag eines bulgarischen Unternehmens in Berlin eine Seniorin betreut hatte. Ihr Arbeitsvertrag sah 6 Arbeitsstunden täglich und 30 pro Woche vor. Während dieser Zeit sollte sie den Haushalt organisieren, sprich, kochen, waschen, bügeln, einkaufen, aufräumen, Arzttermine organisieren und vieles mehr. Wenig überraschend erklärte die Mitarbeiterin, in Wirklichkeit – ihre Bereitschaft eingerechnet – sieben Tage pro Woche rund um die Uhr gearbeitet zu haben. 

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte der Klägerin eine Nachzahlung von mehr als 38.000 Euro für 7 Monate zugebilligt. Grundlage der Kalkulation war ein Mindestlohn von 9,50 Euro pro Stunde. Jetzt hat das BAG das Urteil zur Neuverhandlung zurück ans LAG verwiesen. Es hält den Ansatz für zu hoch, geht aber davon aus, dass 30 Wochenstunden nicht zutreffen. Auch den Bereitschaftsdienst zählten die Richter explizit zur Arbeitszeit. Man darf auf das Urteil gespannt sein. 

„Unser Fazit ist: Pflege muss für alle bezahlbar sein, und Fachkräfte sind fair zu entlohnen“, fasst May zusammen. „ADEXA wird in nächster Zeit auch die Positionen der einzelnen Parteien dazu ansehen und bewerten.“

Quellen

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