10. Juni 2022
Inflation frisst Gehaltszuwächse: Welche Handlungsoptionen haben Apotheken?
Im Mai lag die Preissteigerung bei 7,9 Prozent, ein weiterer Zuwachs gegenüber dem Vormonat (7,4 Prozent). Das Minus bei den Reallöhnen und den Kaufkraftverlust spüren vor allem Beschäftigte und Haushalte mit niedrigem Einkommen. Welche Möglichkeiten haben Betriebe – die selbst auch von der Inflation betroffen sind – hier gegenzusteuern? Und was bedeutet die Situation für die Tarifparteien im Apothekenbereich?
Dass derzeit gerade Familien und Singles mit kleinen Gehältern bzw. Ausbildungsvergütungen oder BAföG jeden Euro mehrfach umdrehen müssen und sich bei den drastischen Preissprüngen bei Lebensmitteln und Energie vieles einfach nicht mehr leisten können, ist verständlich und bekannt.
Bei den Apotheken selber schlagen natürlich die Energiepreise und Preiserhöhungen im Logistikbereich auch zu Buche.
Noch ist keine Entspannung der Situation durch ein Ende der Kriegshandlungen in der Ukraine abzusehen. Unternehmen wie Angestellte und Berufsnachwuchs müssen sich darauf einstellen, dass die Inflation hoch bleibt.
Auch die laufenden Tarifverhandlungen werden natürlich branchenübergreifend vom Inflationsgeschehen beeinflusst. Manche Experten wie Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) warnen, dass steigende Gehälter die Preissteigerung weiter anheizen. Andere wie DIW-Chef Marcel Fratscher sehen dagegen in hohen Tarifabschlüssen keine Gefahr und halten sie für angemessen.
Was ist möglich, was ist sinnvoll?
Was lässt sich also tun, damit die Gehälter weiter gut zum Leben reichen, ohne dass die Lohn-Preis-Spirale angeheizt wird? Gibt es andere Optionen für den einzelnen Betrieb, wenn das Plus auf dem Gehaltszettel vom Kaufkraftverlust aufgefressen wird?
In einem Interview in der Zeitschrift DIE ZEIT lobt IW-Chef Hüther den ersten großen Tarifabschluss seit Beginn des Ukrainekriegs als vorbildlich: Die 58.000 Beschäftigten in der Chemieindustrie erhalten als „Brückenlösung“ zunächst eine Einmalzahlung von 1.400 Euro; eine Einigung auf dauerhafte Erhöhungen wurde auf den Herbst vertagt.
Generell empfehlen Experten, die unterschiedlichen Gehaltsgruppen nicht durch rein prozentuale Steigerungen immer weiter „auseinander zu dividieren“. In ihrem Kommentar bei Haufe.de nennen Stefanie Hornung und Sven Franke zwei Beispiele: In dem einen Fall bekommen alle Mitarbeitenden, unabhängig von ihrem Grundgehalt, eine einheitliche Inflationspauschale ausgezahlt. Solche Zahlungen lassen sich auch zeitlich befristen und ggf. beim Absinken des Inflationsniveaus anpassen. In einem anderen Betrieb bekommen Angestellte im unteren Gehaltsdrittel sechs Prozent, im mittleren Drittel fünf Prozent und im oberen Drittel vier Prozent mehr. Hier sind Fantasie und Fingerspitzengefühl, aber auch Transparenz gefragt, damit alle Teammitglieder sich fair behandelt fühlen.
Das gilt natürlich auch für die Sozialpartner. Im Apothekenbereich ist so ein Schritt Anfang 2022 sogar schon zweimal geglückt – im Tarifbereich des ADA und der TGL Nordrhein. Für 16 von 17 Kammerbezirken gelten aktuelle Gehaltstarifverträge mit zweijähriger Laufzeit bis Ende 2023. Auch hier gab es keine linearen Steigerungen, sondern ein monatliches Plus, das in der niedrigsten Gehaltsstufe, nämlich bei den PKA, am größten ausfiel.
Gehalt oder Freizeit
Neben der Art und Höhe von Gehaltssteigerungen geht es in vielen Tarifabschlüssen heute auch um mehr Freizeit bzw. die Flexibilität, zwischen Geld oder freien Tagen zu wählen. Ein Beispiel ist der aktuelle Tarifabschluss für die Erziehenden. Er schafft die Möglichkeit, einen Gehaltsbestandteil in zwei zusätzliche Entlastungstage umzuwandeln. Denn Fakt ist: Je nach Lebensphase und individuellen Umständen kann das eine oder das andere attraktiver sein.
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Ergebnisse einer Studie zu den Generationen Y und Z im Arbeitsmarkt. Bei der Mitarbeitergewinnung liegt auch bei diesen jungen Beschäftigten das Grundgehalt als wichtigster Faktor auf dem ersten Platz, die Option auf flexible Arbeitszeiten dagegen erst auf Platz fünf. Dazu Florian Frank, Vergütungsexperte bei Willis Towers Watson: „Am Gehalt entscheidet sich, ob jemand bleibt oder geht, aber es hat wenig Einfluss auf die Motivation.“ Für letztere seien Faktoren wie Sinn und Identifikation mit dem Unternehmen ausschlaggebend.
Sigrid Joachimsthaler
Lesen Sie dazu auch den Kommentar von ADEXA-Bundesvorstand Tanja Kratt: weiter
Quellen:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/tarifstreit-kita-101.html
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