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10. Juli 2020

Die Corona-Warn-App unter der Lupe - ADEXA-Praxistipp

Seit Mitte Juni gibt es die Corona-Warn-App in Deutschland. Installieren oder nicht installieren, das ist für viele Apothekenangestellte jetzt die Frage. ADEXA hat einige Fakten rund um Technik und Recht zusammengestellt. 

Die Corona-Warn-App steht kostenlos im Google Play Store oder im App Store als Download zur Verfügung. Nach der Installation erfasst das Programm per Bluetooth Low Energy andere Smartphones in der Nähe, falls deren User ebenfalls die App installiert haben. Mögliche Kontakte werden verschlüsselt. Positive Testergebnisse auf SARS-CoV-2 kann ein medizinisches Labor mit Zustimmung von Patient*innen direkt hochladen. Aber auch manuelle Meldungen sind möglich. Beim nächsten cloudbasierten Abgleich erhalten alle Personen eine Meldung, die sich mindestens 15 Minuten im Abstand von einem Meter oder weniger zu Infizierten aufgehalten haben. Klardaten werden nicht genannt.

Wie bewerten IT-Experten die App?

Das Votum hinsichtlich möglicher Datenschutz-Lücken fällt vergleichsweise positiv aus. So hatte der Bundesbeauftragte für Datenschutz einen „soliden Eindruck“ zu Protokoll gegeben. Der TÜV Informationstechnik schrieb, die App werde „stabil und sicher laufen, ohne die Anwender auszuspionieren“. Und selbst der kritische Chaos Computer Club hatte keine Einwände vorzubringen. 

Was sagen Epidemiologen und Virologen zur App?

„Das Warnsignal ist keine wissenschaftlich spezifische Größe”, erklärt Prof. Dr. Marcel Salathé von der Universität Lausanne. Er hat an einer Schweizer Corona-App gearbeitet. Beispielsweise wird das Bluetooth-Signal in Räumen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln abgeschwächt. 

Salathé bewertet falsch-negative Ereignisse als besonders kritisch: Jemand war in der Nähe, aber dies wurde – aus welchem Grund auch immer – nicht korrekt erfasst. Das bedeutet für Anwender, sich nicht allzu sehr darauf zu verlassen. Fühlen sie sich schlecht, kann es trotz fehlender Warnungen ihres Smartphones immer noch SARS-CoV-2 sein.

Hat die App auch technische Schwächen?

Laut Anke Domscheit-Berg, netzpolitische Sprecherin der Linksfraktion, hätten nicht alle Menschen geeignete Handys, auf denen die App funktioniere. „Denn sie läuft nur auf Apple und auf Android-Handys, das sind etwa 80 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer. 20 Prozent haben so ein Handy gar nicht.“ Das Statistische Bundesamt nennt einen deutlich niedrigeren Anteil sonstiger Betriebssysteme, nämlich unter 1,0 Prozent. Doch selbst dann kann es Probleme geben. Die App läuft ab dem iPhone 6s unter iOS 13.5 beziehungsweise ab Android 6.0 Marshmallow. Älter als fünf Jahre darf das Gerät also nicht sein.

Bleibt die App wirklich freiwillig?

Zwar hat Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) mehrfach betont, die Nutzung bleibe freiwillig, dürfe aber auch nicht mit Vorteilen verbunden werden. Nur ist in keinem Gesetz die Freiwilligkeit geregelt. 

Ein Gesetz muss her: Das fordern Bündnis90/Die Grünen und die Linke im Bundestag. Rechtsexperten sehen das ähnlich. „Den Einsatz der App ohne weitere Regelung auf eine Einwilligung der Nutzer*innen zu stützen, ist eine Lösung mit strukturellen Schwächen“, so Dr. Sebastian Golla. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Informationsrecht, insbesondere Datenschutzrecht, an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Golla: „Die strengen Anforderungen an die Einwilligung nach der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) lassen sich nicht dadurch lösen, dass das Mantra der Freiwilligkeit wiederholt wird.“ 

Haben Apothekenangestellte ein Diensthandy, was eher selten zutreffen mag, könnten sie eventuell verpflichtet werden, die App auch zu nutzen.  Grundsatzurteile gibt es nicht. Andererseits dürfen Kolleginnen und Kollegen ihr Dienstgerät abends ausschalten. Da macht die App nur noch wenig Sinn. Die Installation auf dem privaten Handy kann der Arbeitgeber nicht verlangen. 

Michael van den Heuvel

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