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23. August 2021

Gute Arbeit? Was die Parteien planen – ADEXA-Wahlprüfstein 3

Welche Rahmenbedingungen wollen die Parteien künftig für Beschäftigte und Betriebe vorgeben – und was planen sie in Sachen Tarifpartnerschaft und Mitbestimmung? Ein Blick auf Programme zur Bundestagswahl am 26. September 2021:

CDU/CSU: „Sichere Arbeit mit Zukunft“

Sozialpartnerschaft, Tarifautonomie und Mitbestimmung „haben wesentlich dazu beigetragen, dass Deutschland eine weltweit führende Industrienation geworden ist“, schreibt die Union in ihrem Programm. Damit möglichst viele Beschäftigte durch Betriebsräte vertreten sind, sieht sie die Tarifpartner in der Pflicht. Diese sollen möglichst große Handlungsspielräume erhalten.

Die Minijobgrenze wollen CDU und CSU auf 550 Euro im Monat erhöhen und diesen Wert „mit Blick auf die Entwicklung des Mindestlohns regelmäßig überprüfen“.  

Die Digitalisierung erfordere eine Reform des Arbeitszeitgesetzes. Dabei sollen die Spielräume des EU-Rechts genutzt werden. „Anstelle der täglichen soll eine wöchentliche Höchstarbeitszeit treten.“ Gesundheit und Sicherheit im Sinne des Arbeitnehmerschutzes müssten aber gewährleistet bleiben. Eine Abweichung von der bisherigen Tageshöchstarbeitszeit soll deshalb nur für „nicht  gefahrgeneigte Berufe“ möglich sein.

Außerdem will sich die Union für eine „gute berufliche Ausbildung, die zunehmende Beschäftigung von Frauen, Älteren und Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt, die Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen sowie den gesteuerten Zuzug gut ausgebildeter und leistungsbereiter Menschen“ aus der EU und außereuropäischen Staaten einsetzen. 

Bündnis 90/Die Grünen: Gute Arbeit, faire Löhne

Die Grünen wollen den gesetzlichen Mindestlohn sofort auf 12 Euro anheben und dann für weitere Steigerungen sorgen. Ausnahmen für Jugendliche und Langzeitarbeitslose will die Partei abschaffen. Außerdem plant sie ein branchenunabhängiges Mindestkurzarbeitergeld und den Wegfall sachgrundloser Befristungen.

Tarifverträge und eine starke Mitbestimmung sollen wieder für mehr Beschäftigte und Betriebe gelten. Ein Bundestariftreuegesetz soll dafür sorgen, dass öffentliche Projekte nur von tarifgebundenen Unternehmen realisiert werden – oder zumindest zu Tariflöhnen. Tarifverträge sollen leichter branchenweit für allgemeinverbindlich erklärt werden können. „Tarifflucht darf sich für Unternehmen nicht lohnen“, heißt es im grünen Parteiprogramm. „Wir wollen Betriebe verpflichten zu veröffentlichen, ob sie Tarifvertragspartei sind.“

Für die moderne, digitale Arbeitswelt fordern die Grünen „mehr Mitsprache bei Ort, Lage und Umfang der Arbeit“. Kürzere Arbeitszeiten bieten aus ihrer Sicht die „Chance, Arbeit gerechter zu verteilen, Arbeitsplätze zu sichern und Arbeitnehmer*innen zu entlasten“. Auch flexible Arbeitszeitkorridore anstelle einer starren Vollzeit sollten von den Tarifpartnern auf den Weg gebracht werden. Das Arbeitszeitgesetz dürfe aber nicht zum Nachteil der Beschäftigten aufgeweicht werden.

Außerdem soll ein Anspruch auf Arbeitslosengeld schon ab vier Monaten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung eingeführt werden sowie ein Rückkehrrecht in Vollzeit auch für Betriebe mit weniger als 46 Beschäftigten.

Nicht zuletzt plant die Partei ein „effektives Entgeltgleichheitsgesetz“ mit einem Verbandsklagerecht“, um Frauen beruflich besser zu stellen, sowie eine „gendersensible Berufsberatung, um die Festlegung auf typische Frauen- und Männerberufe aufzubrechen.

SPD: „Arbeit wertschätzen“

Wie Union und Grüne wollen die Sozialdemokraten Vollbeschäftigung erreichen und setzen dabei auf ein „Recht auf Arbeit“.

Allgemeinverbindliche Tarifverträge sollen leichter auf den Weg gebracht werden. Und bei der Aufspaltung oder Auslagerung von Betrieben sollen Tarifverträge weiter gelten. „Die Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden ohne Tarifbindung ist unanständig“, schreibt die SPD. Diese Praxis müsse zurückgedrängt werden. Eine bessere Tarifbindung sei auch eine wichtige Voraussetzung für die Lohnangleichung zwischen Ost und West. Zu den geplanten Maßnahmen gehört ein Bundestariftreuegesetz.

Weitere arbeitsmarktpolitische Forderungen der SPD sind ein Mindestlohn von mindestens 12 Euro, die Anhebung der Gleitzone für Midijobs auf 1.600 Euro ohne Einbußen beim Rentenanspruch, sowie ein verbesserter Zugang zur zeitlich befristeten „Brückenteilzeit“.

Die Schutzfunktion des Arbeitszeitgesetzes will die SPD erhalten und schließt eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit aus. „Da wo Gewerkschaften für die Absenkung von Arbeitszeit streiten, um mehr selbstbestimmte Zeit zu ermöglichen oder Beschäftigung zu sichern, stehen wir an ihrer Seite.“

Die Mitbestimmung der Beschäftigten soll künftig auch für Unternehmen mit ausländischer Rechtsform gelten. Für kleinere Betriebe sollen Schwellenwerte gesenkt werden, um Beschäftigte stärker zu beteiligen. Und auch bei der Digitalisierung müssten „die Belegschaften auf Augenhöhe beteiligt werden“. Ferner will die SPD den Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder ausweiten und die „Behinderung von Betriebsratsarbeit stärker verfolgen“.

Den geforderten Rechtsanspruch auf mobile Arbeit definiert die Partei so: „Grundsätzlich sollen Beschäftigte bei einer Fünf-Tage-Woche mindestens 24 Tage im Jahr mobil oder im Homeoffice arbeiten können, wenn es die Tätigkeit erlaubt.“

FDP: „Gleiche Chancen für Aufstieg durch Leistung“

Die Freien Demokraten fordern mehr Flexibilität im Arbeitszeitgesetz und wollen dafür eine wöchentliche Höchstarbeitszeit statt einer täglichen. Außerdem will die FDP mobiles Arbeiten und Homeoffice nach niederländischem Vorbild stärken: Dabei muss ein Antrag von Beschäftigten von der Arbeitgeber:in geprüft und gemeinsam erörtert werden. Im Homeoffice soll das Arbeitsschutzgesetz gelten.

Damit Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige Leistung gleich bezahlt werden, sollen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ihren Gender-Pay-Gap veröffentlichen. Hier sollen „sowohl der durchschnittliche als auch der mittlere Verdienstunterschied und der prozentuale Anteil von Frauen und Männern in den jeweiligen Gehaltsgruppen angegeben werden“. Die FDP wünscht sich mehr Frauen in Führungspositionen und dafür Arbeitsmodelle wie geteilte Führung („Jobsharing“ und „Topsharing“). Anstelle von Frauenquoten plant die Partei ein „ganzheitliches Diversity Management (Management der Vielfalt)“.

Die Grenzen für Mini- und Midijobs sollen erhöht und dynamisch an den gesetzlichen Mindestlohn gekoppelt werden.

Die Linke: „Demokratie gilt auch im Betrieb“

Die Linke will perspektivisch den Niedriglohnsektor abschaffen, Tarifverträge stärken und einen Rechtsanspruch auf eine Vollzeitstelle für alle Beschäftigten schaffen. Das bedeutet jedoch nicht 40-Stunden-Jobs für alle. Im Programm heißt es vielmehr: „Wir unterstützen die Gewerkschaften in ihrem Kampf für deutliche Arbeitszeitverkürzung in Richtung eines neuen Normalarbeitsverhältnisses mit 30 Stunden pro Woche.“ Die gesetzliche Höchstarbeitszeit soll auf maximal 40 Stunden pro Woche begrenzt werden. Außerdem wollen sich die Linken für ein Mitbestimmungsrecht bei der Personalbemessung und eine Antistressverordnung einsetzen. In Betrieben ohne Betriebsrat sollen Beschäftigte durch ein individuelles »Vetorecht« vor gesundheitsgefährdender Überlastung geschützt werden.

Einen Weiterbildungsanspruch für alle Beschäftigten will die Partei mit einem Weiterbildungsgeld flankieren. Das könnte durch einen Weiterbildungsfonds finanziert werden, in den alle Unternehmen einer Branche einzahlen.

Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch soll schrittweise von 24 auf 36 Werktage angehoben werden, damit allen Beschäftigten mindestens sechs Wochen Urlaub zustehen. Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, sollen durch Ersatzfeiertage in der Woche nachgeholt werden.

Der Mindestlohn soll auf 13 Euro steigen und dabei Zuschläge und Sonderzahlungen nicht mehr verrechnet werden. Außerdem soll die Bundesregierung ein offizielles Meldeportal gegen Mindestlohnbetrug einrichten.

Bei Mini­ und Midijobs soll für Unternehmen bereits ab dem ersten Euro eine volle Pflicht zur Sozialversicherung greifen.

Unternehmen, die Staatshilfen in Anspruch nehmen, dürfen nicht gleichzeitig Dividenden oder Boni an die Vorstände auszahlen. Außerdem fordert die Linke verbindliche Obergrenzen für die Gehälter in Management und Vorständen: Sie sollen künftig „nicht mehr als das Zwanzigfache des niedrigsten Gehalts im Unternehmen betragen“.

Tarifbindung müsse für alle Unternehmen und Branchen gelten, heißt es im Parteiprogramm. Maßnahmen wie ein Bundestariftreuegesetz und allgemeinverbindliche Tarifverträge gehören auch hier dazu, sowie ein unbefristeter Schutz von Tarifverträgen bei Betriebsübergang und Auslagerung. Außerdem müssten OT-Mitgliedschaften (»ohne Tarif«) in Arbeitgeberverbänden abgeschafft werden.

„Gewerkschaften müssen ein umfassendes Verbandsklagerecht zur Einhaltung von Tarifverträgen und gesetzlichen Bestimmungen erhalten sowie das Recht zu Kollektivbeschwerden nach dem Protokoll der Europäischen Sozialcharta.“

Die Linke fordert, das Tarifeinheitsgesetz zurückzunehmen, weil es das Streikrecht einschränke. Und nicht zuletzt: „Solidaritätsstreiks mit Beschäftigten anderer Betriebe und Branchen und politische Streiks zur Durchsetzung sozialer Verbesserungen und zur Verteidigung von Demokratie und Frieden müssen ins Streikrecht eingeschlossen werden.“

Keine Wahlempfehlung

ADEXA spricht keine konkrete Wahlempfehlung aus. Weitere Wahlprüfsteine finden Sie hier: weiter

Sigrid Joachimsthaler

 

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